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Ellipsen

Ellipsen bezeichnen die Auslassung von einem oder mehreren grammatisch notwendigen Satzgliedern. Diese an sich rhetorische Figur kann sich auch auf die Prosodie eines Gedichtes auswirken, was seit den Dadaisten in der Lyrik zu beobachten ist. Eine besondere Deutung stammt dabei von Otto Lorenz, dem gemäß das Schweigen in der Dichtung bei Autoren wie Hölderlin, Rilke oder Celan als "indexikalische[s] Zeichen" für das sprachlich Nicht-Repräsentierbare fungiere, sei dies die "Transzendenz Gottes" (Hölderlin), das "Übermaß an persönlicher Erinnerung" (Rilke) oder das "unfaßbare Leid" bei Celan. Die deiktisch-elliptische Schreibweise diene diesem lyrischen Verschweigen und mache zugleich auf das Verschwiegene aufmerksam, welches durch den Leser artikuliert werde.

Beda Allemann hat mit Blick auf Friederike Mayröckers Lyrik dagegen das Elliptische durch den Begriff der "Assoziationsfuge" erläutert, in welcher einzelne elliptische Sätze, Satzreste und Wörter durch nicht kausale motivierte Verknüpfungen kombiniert sind. Ähnliche Verfahren finden sich etwa in der Lyrik Elke Erbs, die sich nach 1989 intensiv mit dem Werk Mayröckers befasste und ihre Verehrung in Form sogenannter “Text-Echos“ ausdrückte. Beispielhaft für Erbs elliptische Sprache ist etwa das Gedicht Ursprüng­liche Akku­mulation aus dem Band „Mensch sein, nicht“ von 1998, in welchem ein Schlüs­sel­begriff von Marx in die offene Kombina­torik fragmen­tarisch bleibender Gedicht­elemente überführt wird.

Auch die Lyrik Thomas Klings oder Marcel Beyers bedient sich solcher spröden Wort- und Satzellipsen, die man mit Mayröcker als "poetisches Synthesizing" bezeichnen kann. Der Sprachduktus Ulrike Draesners geht ebenfalls auf diese Einflüsse von Autoren wie Kling oder Mayröcker zurück, deren Zeilensprünge, Mehrdeutigkeiten und elliptische Sazustrukturen etwa im Band für die nacht geheuerte zellen wiederkehren. Eine ähnliche Zertrümmerung der lyrischen Syntax durch Ellipsen , Anakoluthe und Permutationen strukturieren die Lyrik Paul Wührs, in welcher elliptische Satzstrukturen, Reste, Fragmente und einzelne Wörter den Gedichten eine provozierende Rätselhaftigkeit verleihen, die sich in Wührs "Poetik des Falschen" programmatisch spiegelt. In der Lyrik Hendrik Jacksons hingegen wird das elliptische Verfahren eher dem Prinzip der Hermetik zugeordnet und entsprechend mit dem Begriff der Dunkelströme umschrieben. Aktuelle Beispiele elliptischer Lyrik finden sich zudem bei Isabeella Beumer oder Daniela Seel.

Literatur:

Allemann, Beda: Experimentelle Dichtung in Österreich Neue Rundschau, 1967, S 317 ff.

Brandstädter, Mathias: Präsenz per Absenz. Bemerkungen zum Hintergrundrauschen einer Ästhetik der Aussparung bei Ror Wolf, Hermann Peter Piwitt und Thomas Lehr. In: Literatur für Leser, 2, 2007.

Lorenz, Otto: Schweigen in der Dichtung : Hölderlin, Rilke, Celan; Studien zur Poetik deiktisch-elliptischer Schreibweisen, Göttingen 1989.