DFG-Projekt "Sprache und Bilder im Geiste"
Raum 40
14195 Berlin
Die Frage, ob mentale Repräsentation vorwiegend (bzw. ausschließlich) sprachlich oder bildhaft strukturiert ist, steht im Zentrum der gegenwärtigen Diskussionen der Philosophie des Geistes. Zugleich benennt „Sprache und Bilder im Geist“ einen von der Philosophie seit der Antike kontinuierlich bearbeiteten Themenkomplex, indem das menschliche Denken stets im Horizont der Begrifflichkeit von Sprache und Bild beschrieben wurde. Das Forschungsprojekt soll in einer problemgeschichtlichen Längsschnittanalyse klären, wie das Sprach- und Bildparadigma die philosophische Beantwortung der Frage nach der Form kognitiver Repräsentation über die Jahrhunderte hinweg geprägt hat und welches Verständnis von Sprachlichkeit und Bildlichkeit dabei jeweils vorausgesetzt wurde.
Thematische Schwerpunkte, an denen dies paradigmatisch untersucht werden soll, sind u.a.:
- antike Reflexionen über das Verhältnis von Sprache und Bild, insbesondere die stoische Bestimmung des Begriffs der phantasia, die als „phantasia logike“ in systematisch relevanter Weise bildhafte und propositionale Elemente in sich vereint;
- scholastische Diskussionen über die kognitive Repräsentation und die Mentalsprache, in denen Konzepte von Sprachlichkeit und Bildlichkeit erarbeitet wurden, die deutlich von jenen abweichen, die vorliegen, wenn beide – wie es gegenwärtig der Fall ist - als konkurrierende und einander wechselseitig ausschließende Paradigmen betrachtet werden;
- die in den Texten der Philosophie der frühen Neuzeit sich abzeichnende massive Präsenz von bildlichen Darstellungen, Zeichen, Symbolen, Diagrammen, Schemata, Tabellen etc., welche die Gelegenheit bietet, das Verhältnis zwischen den Theorien kognitiver Repräsentation und den Formen der externen Repräsentation sowie der Organisation des Wissens näher zu untersuchen;
- die umfangreichen Debatten über Kants Konzeption der schematischen und symbolischen Hypotypose, welche, als Instanz der Vermittlung zwischen Verstand/Vernunft und Anschauung gedacht, weder Bild im eigentlichen Sinn noch sprachlich strukturiert ist, sondern eine „Methode“ oder „Regel“ der Generierung quasi-anschaulicher mentaler Modelle darstellt und damit geeignet zu sein scheint, die mit jeder naiven Theorie mentaler Bilder verbundenen Probleme zu umgehen.
Mit der Freilegung der genannten Diskurse wird nicht nur eine neue Perspektive auf die Geschichte der Erkenntnistheorie im Lichte aktueller Fragestellungen eröffnet. Der Reichtum des historischen Materials bietet zugleich die Chance, die strikte Disjunktion von Sprache (Propositionalismus) und Bild (Piktorialismus) kritisch zu hinterfragen und damit, nachdem durch den ‚linguistic turn‘ und den ‚iconic turn‘ jeweils mit Recht – aber einseitig – die fundamentale Bedeutung von Sprachlichkeit und Bildlichkeit für die Organisation des menschlichen Wissens deutlich gemacht wurde, Sprach- und Bildwissenschaften in ein differenzierteres Verhältnis zu setzen.
Zur Homepage von Stephan Meier-Oeser.
Dieses Projekt ist eingebunden in den Arbeitsbereich von Prof. Dr. Sybille Krämer.