Ringvorlesung: 2400 Jahre Aristoteles und Aristotelismen
2016 jährt sich der 2400. Geburtstag des Aristoteles. Kaum ein anderer Philosoph hat so weit und so tief gewirkt wie Aristoteles. Und kaum ein anderer Philosoph wurde so unterschiedlich gelesen und interpretiert. Die Geschichte des Aristoteles ist daher die Geschichte der vielen Aristotelismen, die aus seinen Schriften entwickelt wurden.
Aristoteles war immer ein Philosoph der Schule. Das beginnt bereits damit, daß seit dem 1. Jahrhundert v.Chr. von Aristoteles nicht mehr seine publizierten Schriften im Zentrum des Interesses standen, sondern die Texte, die er im Kontext des Unterrichts in der Akademie in Athen für seine Schüler produziert hatte. Das Corpus Aristotelicum, das wir haben, basiert auf diesen Schulschriften, die Andronikos von Rhodos in Rom herausgegeben hatte. Es besteht aus einführenden logischen Schriften, dem sog. Organon (was so viel heißt wie „Werkzeug“ zum Philosophieren), den ethischen Schriften, den Vorlesungen zur Physik und anderen naturwissenschaftlichen (physikalischen und biologischen) Vorlesungen, Lehren zu psychologischen Fragen, Schriften zur Politik, Vorlesungen zur Rhetorik und der Poetik.
Texte aus der Schule und für die Schule werden viel gelesen. Das setzt sie Prozessen der Veränderung aus, aber auch der Stabilisierung und Traditionsbildung. Wir sehen das schon in den antiken Lektüren. Hier gibt es eine enge Verbindung von Lektüre und Kommentar. Wenn wir den Text auf der Basis unserer Überlieferung herstellen wollen, müssen wir diese enge Verflechtung berücksichtigen. Und das gilt auch, wenn wir Aristoteles heute erklären und verstehen wollen.
Aristoteles war in der Spätantike und im byzantinischen, lateinischen und arabischen Mittelalter ein Autor der Schule und für die Schule. Er wurde für die Schule kommentiert. Genau in diesem Sinn ist er ein Autor der Scholastik. Denn das besagt der Ausdruck „Scholastik“ eigentlich: eine Methodik für die Schulinterpretation zentraler Autoren. „Der“ Philosophus überhaupt aber war im Mittelalter Aristoteles.
Freilich, das hohe Niveau der Schulkommentare und der Auslegungen im Schulkontext darf man weder in der Platonischen Akademie des 4. Jahrhunderts noch in den Philosophenschulen der Spätantike oder den kirchlichen Schulkontexten des Mittelalters unterschätzen. Es ist ein gelehrter, wissenschaftlicher Unterricht, der den Namen „akademisch“ nicht nur aufgrund seiner Herkunft aus der Akademie Platons trägt, sondern auch in unserem heutigen Sinn, weil in ihm die akademisch-intellektuellen Debatten der Zeit geführt wurden.
Die Ringvorlesung möchte aus Anlass des Aristoteles-Jahrs, das wir 2016 feiern, in die wichtigsten Vorlesungen und Schriften des Aristoteles einführen. Die Vortragenden, die sämtlich renommierte und innovative Aristoteles-Forscherinnen und -Forscher sind, präsentieren die verschiedenen Schriften zugleich aus ihrem Schulkontext und in der Reflexion durch Kommentare und Interpretationen. Sie zeigen damit auf, wie die Logischen Schriften, die Physik und die anderen naturwissenschaftlichen Vorlesungen, die Psychologie, die Politik, die Poetik und nicht zuletzt die Metaphysik in der Geschichte der Aristoteles-Deutung und der Aristotelismen tradiert und weitergedacht wurden.
Konzeption: Prof. Dr. Gyburg Uhlmann
Mittwoch,18.15 - 20.00 Uhr, Beginn: 20.04.2016
Achtung: Die Vorlesung von Prof. Edward Watts findet abweichend an einem Dienstag (28.06.2016) statt!Link zum Veranstaltungsplakat (PDF)
Link zum Veranstaltungsflyer (PDF)
Link zu den Audiomitschnitten bisher gehaltener Vorträge. Das Angebot wird sukzessive vervollständigt.
Programm
20.04.2016
Prof. Dr. Arbogast Schmitt, Klassische Philologie, Philipps Universität Marburg:
Aristoteles’ Poetik. Grundlegung einer Theorie der Literatur in Europa
27.04.2016
Prof. Dr. Gyburg Uhlmann, Klassische Philologie, Freie Universität Berlin:
Aristoteles’ Metaphysik. Philosophiegeschichte als Wissenspraxis
04.05.2016
Prof. Dr. Oliver Primavesi, Griechische Philologie, Ludwig-Maximilians-Universität München:
Aristoteles’ De motu animalium. Der Gedankengang im Licht einer kritischen Textausgabe
11.05.2016
Prof. Dr. Rainer Thiel, Klassische Philologie, Friedrich-Schiller-Universität Jena:
Der Substanzbegriff der Aristotelischen Kategorienschrift und seine Rezeption bei Plotin und den Neuplatonikern
18.05.2016
Prof. Dr. Carlos Steel, Philosophie, Katholieke Universiteit Leuven:
Was bedeutet es, wenn Aristoteles auf Latein gelesen wird?
25.05.2016
Prof. Dr. Wolfgang Bernard, Klassische Philologie, Universität Rostock:
Aristoteles’ De anima. Die Seele als Prinzip des Unterscheidens
01.06.2016
Prof. Dr. Sten Ebbesen, Klassische Philologie, Universität Kopenhagen:
Aristotle’s Sophistici Elenchi. Are the fallacies topoi?
08.06.2016
Prof. Dr. Dr. h. c. mult. Otfried Höffe, Philosophie, Eberhard Karls Universität Tübingen:
Aristoteles’ Politik. Aristoteles als politischer Denker
15.06.2014
Prof. Dr. Marwan Rashed, Klassische Philologie, Université de Paris-Sorbonne:
Zeno’s Arrow. From Aristotle’s Physics to Leibniz
22.06.2016
Prof. Dr. Christian Brockmann, Klassische Philologie, Universität Hamburg:
Die Aristotelischen Analytiken und ihre Überlieferung. Beobachtungen zu einigen Manuskripten und textkrtische Fragen
Prof. Dr. Edward Watts, Alte Geschichte, University of California, San Diego:
Big Aristotelianism. Optimism and Pessimism about Philosophy's Future in the Sixth Century
06.07.2016
Prof. Dr. Peter Adamson, Philosophie, Ludwig-Maximilians-Universität München:
Aristoteles Arabus. Übersetzungen und Rezeption in der islamischen Welt
13.07.2016
Prof. Dr. Christophe Erismann, Philosophie, Universität Wien:
Aristoteles in Byzanz und die Pluralität der philosophischen Traditionen des neunten Jahrhunderts
20.07.2016
Prof. Dr. Sabine Föllinger, Klassische Philologie, Philipps-Universität Marburg:
Aristoteles’ De generatione animalium. Das Problem der Geschlechtlichkeit
Kontakt:
Dr. Christian Vogel
E-Mail: christian.vogel@fu-berlin.de
Tel: 030/ 838 72683 (Sekretariat Uhlmann)
Web: aristotelismuszentrum.fu-berlin.de/
Zeit & Ort
20.04.2016, 18:00 - 20.07.2016
Institut für Philosophie, Vortragsraum im Untergeschoss, Habelschwerdter Allee 30, 14195 Berlin-Dahlem
Verkehrsverbindungen: U3 Dahlem-Dorf oder Thielplatz; Bus 110, M 11, X 11