Jahrestagung 2024: Imaginarien der Wirklichkeit. Ästhetiken und Politiken von Utopien
15. November in Berlin
„Wenn die moderne Utopie einen Sinn hat, dann sicherlich nicht im Mythos einer Insel, die nirgends ist, sondern im Gegenteil in der Möglichkeit, mit dem Finger überall auf die Übereinstimmung von Text und Wirklichkeit zu zeigen.“
(Rancière, Kurze Reisen ins Land des Volkes, 2014 [1990], S. 48)
Was Jacques Rancière für das revolutionäre Denken des 18.-20. Jahrhunderts feststellte, ist heute undenkbar: Utopische Imaginationen scheinen der Wirklichkeit nicht allein unvereinbar entgegengesetzt zu stehen, sondern sich auch als Mythos eines Nicht-Ortes gänzlich aufgelöst zu haben. Im Angesicht von sozialen, politischen, wirtschaftlichen und ökologischen Krisen wird aktuell vielfach das Fehlen von gesellschaftspolitischen Alternativen und eine Wahrnehmung unserer Gegenwart als Endzeit diagnostiziert, gar das Ende von in sich geschlossenen Narrativen und des Erzählens selbst postuliert. Vor diesem Hintergrund drängt sich die folgende Frage geradezu auf: Wie können Utopien überhaupt noch gedacht werden?
Ausgehend von dieser Frage widmet sich die diesjährige Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien Ästhetiken und Politiken von Utopien. Geladene Gäste und Mitglieder der FSGS gehen in interdisziplinären Vorträgen auf die Suche nach Utopia. Von der Antike bis zur Gegenwart ergründen sie die Gattungsgeschichte, Genealogie und Formen utopischer Konstruktionen. Dabei werden Utopien nicht allein als Antworten auf historische und gegenwärtige Realitäten in den Blick genommen: Dynamiken und Wirkungspotenziale literarischer Darstellungen, so von Thomas Morus über Etienne Cabet und Josef Popper- Lynkeus bis zu Joshua Groß und Leif Randt, werden ebenso verhandelt wie technische und mediale Affordanzen von alternativen Gesellschaftsformationen.
Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien am 15. November 2024 in der Villa Engler der FU Berlin, Altensteinstraße 2, 14195 Berlin
Programm
Freitag, 15.11.2024
10:15-10:30 Uhr: Ankunft und Kaffee
10:30-11:00 Uhr: Begrüßung
Jutta Müller Tamm
Team der Jahrestagung
11:00-12:00 Uhr: Keynote
Natasha A. Kelly (Universität der Künste Berlin):
Afrofuturismus 2.0: Von der Utopie zur Wirklichkeit und zurück
12:00 Uhr-12:30 Uhr: Kaffeepause
PANEL 1: Vergangenheit12:30-13:15 Uhr:
Annett Zinsmeister (Frankfurt University of Applied Sciences):
Virtuelle Konstruktionen. Die Standards von Utopia
13:15-14:00 Uhr:
Robert Leucht (Université de Lausanne):
„eine gegebene Wirklichkeit sprengen“
Drei dichte Beschreibungen zu den Wirkungspotenzialen von Utopien
14:00-15:30 Uhr: Mittagspause
PANEL 2: Gegenwart15:30-16:15 Uhr:
Sebastian Schweer (Leibniz Universität Hannover):
Von der Utopie zum Optativ – und zurück?
Literarische Möglichkeitsräume nach 1989
16:15-17:00 Uhr:
Troels Thorbog Andersen (Humboldt-Universität zu Berlin):
Ressentiment und Eskapismus (Leif Randt und Joshua Groß)
17:00-17:45 Uhr:
Friederike Beier (Freie Universität Berlin):
Die sorgezentrierte und geschlechtslose Gesellschaft. Eine materialistisch-
queerfeministische Utopie
17:45-18:15 Uhr: Kaffeepause
ABSCHLUSSPANEL: Zukunft18:15-19.45 Uhr: Diskussion mit Promovierenden der FSGS
Elisa Haf: Reproduction as Route (Back) to Utopia in Contemporary Women's
Fiction Writing
Gabriel Kombasseré: Das Dokumentarische im Kontext des deutschen
Kolonialismus: Kontroversität zwischen Faktualität und Utopie
Omid Mashhadi: On the Wrong Side of the Metanarratives, the Righteous Side
of Utopian Storytelling: Amateur Performance and the Aesthetics of Bareness
Haoying Zhang: Andere Zeit, andere Utopie: Vom Ideal der Naturaneignung in Johann Gottfried Schnabels Insel Felsenburg (1731-43) zum Konstrukt der Naturverbundenheit in Ernest Callenbachs Ökotopia (1975)
Moderation: Liliana Ruth Feierstein (Humboldt-Universität zu Berlin)
Ab 19:45 Uhr: Abendempfang
Organisation: Viviana Macaluso, Pedro Mora-Madriñán, Patty Nash, Charlotte Rauth, Katie Unwin
Die Anmeldung für die Jahrestagung ist nicht mehr möglich.