Sarah Carlotta Hechler

Alumna
Gelebte Widersprüche, autosoziobiographische Formen. Annie Ernaux’ materialistische Poetik
14195 Berlin
Sarah Carlotta Hechler studierte zunächst Politikwissenschaft und Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Ludwig-Maximilians-Universität München mit Auslandsaufenthalten an der Sciences Po Paris und der Venice International University. Im Anschluss daran absolvierte sie von 2016 bis 2018 mit einem DAAD-Stipendium ihren Master im Bereich Théroies et pratiques du langage et des arts an der École des Hautes Études en Sciences Sociales in Paris.
Seit Juni 2019 ist sie wissenschaftliche Mitarbeiterin am Centre Marc Bloch und promoviert ab Oktober 2019 an der Friedrich-Schlegel-Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien der Freien Universität Berlin.
Gelebte Widersprüche, autosoziobiographische Formen. Annie Ernaux’ materialistische Poetik
Annie Ernaux spürt in ihrem Schreiben gesellschaftliche Widersprüche auf. Im subjektiv Erlebten werden Effekte objektiver Herrschaftsstrukturen freigelegt. Meine Arbeit erkundet, inwiefern für Ernaux’ autosoziobiographische Formen das vermittelte Verhältnis von Sozialem und Persönlichem, insbesondere wie es Pierre Bourdieu und Simone de Beauvoir herausgearbeitet haben, entscheidend ist. Darüber hinaus geht sie der Dezentrierung des Subjekts in Objektivierungsformen nach, die an Michel Leiris’ autobiographisches Schreiben und das Denken Michel Foucaults anknüpft. Ausgehend von der verschränkten Betrachtung psychischer und sozio-historischer ›Tatsachen‹ entwickelt Ernaux eine materialistische Poetik, die, trotz des Bezugs auf einen dokumentarischen Ansatz einerseits und auf ›unmittelbar‹ Erlebtes andererseits, nicht beim Sicht- oder Fühlbaren Halt macht. Vielmehr erweist sich die Selbstverständlichkeit des Gegebenen retrospektiv als fragwürdig. Dies wird in der Analyse von Ernaux’ verschiedenen Schreibformen und -methoden aufgezeigt.
Annie Ernaux uncovers social contradictions in her writings. Through subjective experiences she reveals the effects of objective power structures. My thesis explores how the mediation between the social and the personal, especially as analyzed by Pierre Bourdieu and Simone de Beauvoir, proves central to Ernaux’s autosociobiographical forms. Beyond that, it investigates the decentralization of the subject in forms of objectivation, drawing on Michel Leiris’ autobiographical writing and the thought of Michel Foucault. Starting from the intertwined perspective on psychological and socio-historical ›facts‹ Ernaux develops a materialistic poetics, that, despite her reference to a documentary approach, on the one hand, and to the ›immediately‹ experienced, on the other hand, is not limited to the visible and perceptible. Instead, the apparent ›naturalness‹ of the given becomes questionable in retrospect. This is demonstrated through an analysis of Ernaux’ various forms and methods of writing.