Alexander Kappe
Alumnus
Die écriture der Theorie. Ethik des Denkens und Schreibens bei Barthes, Derrida und Foucault
14195 Berlin
Biografisches
Alexander Kappe studierte im Bachelor Philosophie sowie Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft an der Freien Universität Berlin. Im Master studierte er im Doppelstudium Philosophie an der Freien Universität Berlin sowie Literarisches Schreiben am Deutschen Literaturinstitut der Universität Leipzig. Von Juli 2017 bis Februar 2018 war er Einstein-Projektstipendiat der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien. Seit Oktober 2018 ist er Doktorand an der Friedrich Schlegel Graduiertenschule und seit Januar 2019 Promotionsstipendiat des Evangelischen Studienwerks Villigst. Von Dezember 2019 bis Dezember 2020 war er Promovierendensprecher mit Aufsichtsratsmandat beim Evangelischen Studienwerk Villigst.
Die Dissertation wurde im März 2023 eingereicht.
Von Oktober 2022 bis September 2023 war er wissenschaftlicher Mitarbeiter am Institut für Germanistische und Allgemeine Sprachwissenschaft der RWTH Aachen. Seit April 2024 ist er Postdoc-Stipendiat der Leucorea (Halle-Wittenberg, Zusammenarbeit mit Prof. Dr. Daniel Weidner und Dr. Karl Tetzlaff).
Neben seiner wissenschaftlichen Tätigkeit ist er außerdem als Autor, Literaturvermittler und Übersetzer aktiv. Er hat in zehn Anthologien und Literaturzeitschriften veröffentlicht sowie zwei Anthologien herausgegeben ("Tippgemeinschaft", Connewitzer Verlagsbuchhandlung 2016 und "Ansicht der leuchtenden Wurzeln von unten", Poetenladen 2017). Im Sommer 2023 erscheint ein Einzelband mit Gedichten beim Verlag Gutleut. Er war nominiert für den Open Mike 2021. Zusammen mit Saskia Warzecha und David Frühauf gibt er außerdem die Literaturzeitschrift "Transistor - Zeitschrift für zeitgenössische Lyrik" (transistor-zeitschrift.de) heraus. In Vorbereitung befindet sich eine vom Deutschen Übersetzerfonds geförderte Anthologie deutschsprachiger Gegenwartslyrik in englischer Übersetzung, die er gemeinsam mit Jana Weiß (FU Berlin) und Dr. Nicola Thomas (Lancaster University) bei Shearsman Books herausgibt. Ebenfalls in diesem Jahr erscheint die Übersetzung des ersten Gedichtbands des Dichters Yevgeniy Breyger (flüchtige monde. Berlin: kookbooks 2015) vom Deutschen ins Englische (Hyperidean Press, ebenfalls vom Deutschen Übersetzerfonds gefördert).
Abstract der Dissertation
Die vorliegende Arbeit erzählt eine Problemgeschichte, die im Hintergrund der sogenannten „postmodernen“ Theorieautoren wirksam ist – anhand von Schlüsseltexten der Autoren Roland Barthes, Jacques Derrida und Michel Foucault. Sie wirft ein Schlaglicht auf einen Bruch im Regelwerk, nach dem das Schreiben theoretisch-explikativer Texte in der französischen, postmodernen Theorie funktioniert. Dieses Etwas, das in den 60er Jahren zu Bruch geht, ist das Universelle, welches als vertrauter Idealrahmen plötzlich zweifelhaft und dann schnell untauglich wird. Die Verwirrungen der letzten 150 Jahre, so scheint schlagartig klar, liegen nicht darin begründet, dass die Widerstände des modernen Projekts nicht beseitigt sind, sondern dass etwas mit dem Projekt als solchem nicht stimmt. Das Untauglichwerden des Universellen als kultureller Leitidee ist ein Ereignis von fundamentaler Tragweite. Dieses Ereignis bildet die Rückseite der Ethik einer neuen Theoretikergeneration. Jenes Untauglichwerden entfaltet aber eine Produktivität – aus den Scherben des Universellen, dem zuvor noch das Engagement galt, entstehen nämlich drei Einzelwerte, die ihre ganz eigenen Spielregeln und auch Problematiken produzieren. Das Universelle transformiert sich: in das Singuläre, in das Plurale und in das Inkommensurable. Gemeinsam bildet diese Werte-Trias einen ethischen Leitwert, nämlich ‚Unverfügbarkeit‘. Das Unverfügbare löst das Ideal des Universellen ab und reguliert das neue Theorieschreiben. Aus dem Engagement für das Universelle wird die Mandantschaft für das Unverfügbare. Dabei handelt es sich um eine bedeutsame Verschiebung, deren Explikation von elementarer Bedeutung für das Verständnis dieser Theoretikergeneration wie auch der ihnen nachfolgenden ist.
Drei Forschungsfragen leiten die Arbeit. Zunächst wird untersucht, inwiefern sich im Rückgriff auf die Begriffe ‚Unverfügbarkeit‘ und ‚Verfügbarkeit‘ eine Ethik des Denkens wie Schreibens bei Barthes, Derrida und Foucault plausibel rekonstruieren ließe. Mittels der Sichtbarmachung eines spezifischen Ethos wird die Frage beantwortbar, von welchem Ort her sich diese komplexen Theoriegebäude entwickeln. Die Unverfügbarkeitsethik lässt sich an den konkreten Theorietexten dieser Autoren ablesen, nimmt man sowohl die theoretisch-explikativen Diskurse dieser Texte als auch ihre Gemachtheit als Texte in den Blick. Eine sensible Lektüre von Theorietexten als Texte, die auch poetische Mittel und Interferenzen von Stoff und Form berücksichtigt, ist zwingend erforderlich, weil es oftmals gerade diese Verbindung ist, in der sich das unausgesprochene Ethos – eine ‚écriture‘ – offenbart. Barthes, Derrida und Foucault thematisieren nicht nur écriture (Schreibweise), sondern produzieren, wie zu zeigen sein wird, selbst eine ‚Theorie-écriture‘. Hier treffen Literaturwissenschaft und Philosophie aufeinander.
Die zweite Forschungsfrage betrifft die Ethik dieser Autoren im Spiegel der Postmodernekritik, die in der Diskussion der 80er und 90er Jahre von großer Bedeutung für die deutschsprachigen Geisteswissenschaften war. Im Anschluss an die Einzelanalysen diskutiert der abschließende Teil der Arbeit, wie Schlüsseltexte und -ideen der sogenannten Postmoderne einzuordnen sind, wenn diese Problemgeschichte sichtbar geworden ist. Plakative Zuschreibungen wie Antiuniversalismus, Antiessentialismus oder Antihumanismus können umgangen werden, wird das eigentlich ethische Desiderat dieser Autoren vorgeführt.
Die dritte Forschungsfrage stellt in den Raum, ob mithilfe der hier produzierten Ergebnisse vom Theorieschrieben als einem Schreiben, das nach bestimmten Regeln funktioniert und letztlich eine spezifische Textgattung etabliert, gesprochen werden kann. Diese Frage wird – ebenfalls im Schlussteil – zwar nur kursorisch zu beantworten gesucht. Die Einzelanalysen zeigen aber eine Menge an „Spielregeln“ des Schreibens von Theorietexten in dieser Zeit, deren Zusammenstellung es erlaubt, Grundelemente dieses „Genres“ zu erarbeiten.
Wissenschaftliche Auszeichnungen
- Lehrpreis der Philosophischen Fakultät der RWTH Aachen
Wissenschaftliche Publikationen
- „Im Sanatorium der Theorie. Barthes‘ Lebenskrisen als Krisen des Theorieschreibens“. In: Brock, Eike/Gödde, Günter/Zirfas, Jörg (Hg.): Leiden und Lebenskunst in der Moderne. Biographisch-philosophische Studien zu Krisen, Therapien und Wandlungen. Stuttgart: Metzler 2023, S. 329-344.
- „Aufschreiben, Einschreiben, Abschreiben. Zum Verhältnis von Autofiktion und unzuverlässigem Erzählen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“. In: Zeitschrift für Germanistik 1/2021, S. 86-103.DOI: https://doi.org/10.3726/92168_86
- „»Ich bin nicht sicher, ob ich Schinken wirklich am Geruch erkenne oder bloß am Kontext«. Körperbilder in Leif Randts Schimmernder Dunst über CobyCounty im Licht der Simulationstheorie Jean Baudrillards“. In: Studia Germanica Posnaniensia 41 (2021), S. 25-52. https://doi.org/10.14746/sgp.2021.41.03
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„Mythologien. Nach Barthes – oder ohne ihn“ (mit Anne Eusterschulte). In: Bildbruch. Beobachtungen an Metaphern 1/2021, S. 1-22.
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„Dialog – Diskurs – Palabre. Zur abgebrochenen Kommunikation zwischen Diskursethik und postkolonialer Theorie im Licht des Palabre-Konzepts von Jean-Godefroy Bidima“. In: InterCultural Philosophy. Journal for Philosophy and its Cultural Context 1/2020, S. 79-100. DOI: https://doi.org/10.11588/icp.2020.1.76710
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„Von der Schwester geboren sein. Horizontale Genealogie in der Dichtung Georg Trakls“. In: Expressionismus 11 (2020), S. 49-65.
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"»Ohne Anfang, ohne Endpunkt, und ohne Verheißung«. Die Räumlichkeit der Sprache in Michel Foucaults »Die Ordnung der Dinge«“. In: CRITICA ZPK 2 (2013), S. 16-27.
Wissenschaftliche Rezensionen
- „Leben in Zeiten der Selbstoptimierung. Literaturbericht zu Günter Gödde/Jörg Zirfas (Hg.): Kritische Lebenskunst: Analysen – Orientierungen – Strategien“. In: Philosophisches Jahrbuch 2021, S. 177-185.
Wissenschaftliche Vorträge (Auswahl)
- “Was literary modernism conservative? On the question of the relationbetween literary and the political dimensions in recourse to Adornos concept of 'Engagement'“, Vortrag im Rahmen der Summer School der Friedrich Schlegel Graduiertenschule zum Thema „The Politics of Literature – Literature and Politics“, 27. Juni 2019.
- „Aufschreiben, Einschreiben, Abschreiben. Zum Verhältnis von Autofiktion und unzuverlässigem Erzählen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“, Vortrag am GRK 2041/1 („Modell Romantik. Variation, Reichweite, Aktualität“) im Rahmen des Workshops „Zur Funktion unzuverlässigen Erzählens in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur“, Mai 2019.
- „Die Magie der Heterotopie. Magie als epistemische Herrschaftskritik in der ‘Dialektik der Aufklärung’, Vortrag beim Forschungskolleg Kritische Theorie, Februar 2018.
Wissenschaftliche Herausgeberschaften
- „Mythologies. Nach Barthes“. Heft I 2021 von Bildbruch. Beobachtungen an Metaphern, hrsg. von Simon Godart und Sina Dell‘Anno (Ausgabe des Hefts zusammen mit Anne Eusterschulte).
Wissenschaftliche Lehrveranstaltungen
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„Lektüre: Konzepte, Praktiken“ (am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH Aachen, SS 23).
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„Über-Empfindlichkeit“ (am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft der RWTH Aachen, SS 23).
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„Verfahren und Effekt: Deutschsprachige Gegenwartslyrik“. Masterseminar am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft, WiSe 2022/23.
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„Postmoderne Literaturtheorien: Autor, Werk, Schreiben“. Masterseminar am Institut für Germanistische und Allgemeine Literaturwissenschaft, WiSe 2022/23.
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„Philosophie der Schrift – Ethik des Schreibens. Roland Barthes und Jacques Derrida“ (Ko-Teaching mit Prof. Dr. Anne Eusterschulte, Hauptseminar am Philosophischen Institut der Freien Universität Berlin, WiSe 2020/21.
Wissenschaftliche Veranstaltungsorganisationen
- „Borrowed worl(d)s. Aneignung jenseits des Anführungszeichens”. Jahrestagung der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, Oktober 2020 (verlegt auf Oktober 2021).
- „Anton Wilhelm Amo. Leben und Denken zwischen Europa und Afrika”. Moderierte Informationsveranstaltung mit Prof. Dr. Dr. Jacob Mabe und Prof. Dr. Ottmar Ette, 20. September 2021 am Leibniz-Zentrum Moderner Orient (ZMO), gefördert von der Amadeu Antonio Stiftung.
Literarische Publikationen
In Zeitschriften und Anthologien (Auswahl)
- ‚kein ingrimm‘ (Gedichtzyklus). In: BELLA triste 59 (2021)
- ‚Vier Gedichte‘. In: edit 82 (2020)
- ‚Raupe‘ (Gedicht). In: Jahrbuch der Lyrik 2020. Schöffling.
- ‚Lichtung des Herzens und Baum‘ (Gedichtzyklus) sowie ‚Im Nahkampf mit der Wirklichkeit‘ (Poetologischer Essay). In: Denkzettelareale (hrsg. von Aron Koban und Annett Groh), Reinecke & Voss 2019.
- ‚Hütte‘ (Gedicht). In: Jahrbuch der Lyrik 2019. Schöffling.
- ‚Vier Gedichte‘. In: Poet 22 (2017).
- ‚Die geheime Forschungseinrichtung in der menschenfeindlichen Arktis‘. In: JENNY 5 (2017). De Gruyter.
- ‚Drei Gedichte‘. In: Ansicht der leuchtenden Wurzeln von unten. Poetenladen 2017.
- ‚Zwei Gedichte‘. In: STILL Magazine 4 (2016)
- ‚Im dunklen Nadelwald‘. In: Tippgemeinschaft. Connewitzer Verlagsbuchhandlung 2016.
- ‚Sechs Gedichte‘. In: Ostragehege 21 (2016).
- ‚Zwei Gedichte‘. In: Der Greif 10 (2015).
- ‚Vier Gedichte‘. In: manuskripte 216 (2014).
Literarische Herausgeberschaften
- Tippgemeinschaft. Connewitzer Verlagsbuchhandlung 2016.
- Ansicht der leuchtenden Wurzeln von unten. Poetenladen 2017.
- Transistor - Zeitschrift für zeitgenössische Lyrik (transistor-zeitschrift.de).
- The Opposite of Seduction. German-language poetry since 2000 (Shearsman Books, erscheint 2023).
Übersetzungen
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Seit 2023. Mitherausgeber der entstehenden Ausgabe der Gedichte des nordamerikanischen Dichters Keith Waldrop beim gutleut Verlag.
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2023. Übersetzung des Gedichtbands the locality principle des nordamerikanischen Dichters Keith Waldrop (das prinzip der lokalität. gutleut 2023; ausgezeichnet als Lyrikempfehlung des Jahres 2024).
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fleeting moons (Übertragung des Gedichtsbands flüchtige monde von Yevgeniy Breyger vom Deutschen ins Englische, erscheint 2025 bei Hyperidean Press).
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Einzelne Gedichte für: The Opposite of Seduction. German-language poetry since 2000 (Shearsman Books, erscheint 2025)
Eingeworbene Förderungen
- Einstein-Stipendium der Friedrich Schlegel Graduiertenschule für literaturwissenschaftliche Studien, Juli 2017 bis Februar 2018
- Promotionsstipendium des Evangelischen Studienwerk Villigst, seit Januar 2019.
- Kulturstiftung Sachsen (für Anthologie ‚Tippgemeinschaft 2016‘, Poetenladen 2016).
- Stadt Leipzig (für Anthologie ‚Tippgemeinschaft 2016‘, Connewitzer Verlagsbuchhandlung 2016.
- Berliner Senat / Projektförderung Literatur (für Transistor – Zeitschrift f. zeitgenössische Lyrik, Ausgabe 2+3).
- Amadeu Antonio Stiftung (für Veranstaltung mit der Gesellschaft für Afrikanische Philosophie zu Anton Wilhelm Amo, 2021).
- Deutscher Übersetzerfonds (für Anthologie „The Opposite of Seduction. German-language Poetry since 2000" sowie Yevgeniy Breygers Gedichtband fleeting moons).
Tätigkeiten & Mitgliedschaften in Vereinen & Verbänden
- Geschäftsführende Tätigkeit in der Gesellschaft für Afrikanische Philosophie (GAPh)
- Promovierendensprecher mit Aufsichtsratsmandat beim Evangelischen Studienwerk e. V. (12/2019-12/2020)
- Mitglied im Deutschen Germanistenverband
- Mitglied der Deutschen Gesellschaft für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft
- Mitglied der Deutschen Gesellschaft für französische Philosophie
- Mitglied des Netzwerks Lyrik
- Vorstandsmitglied von Transistor – Verein z. Förderung zeitgenössischer Lyrik