Roxanne Mahboubi
Friedrich Schlegel Graduiertenschule
Doktorand/in
Dramenästhetische Marginalität. Eine Studie zu Nebentexten von Peter Handke, Sarah Kane, Suzan-Lori Parks, Thomas Köck und Wolfram Höll
14195 Berlin
Roxanne Mahboubi studierte Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft und Philosophie an der Goethe-Universität in Frankfurt am Main und Berlin.
Mit der Arbeit „‚How can I speak again?‘ Sprachräume in Sarah Kanes Nebentexten“ schloss sie den Master Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft am Peter Szondi-Institut der Freien Universität Berlin ab.
Die Ästhetik des Nebentextes im postdramatischen Theater
Die Dissertation widmet sich dramatischen Nebentexten ausgewählter Texte des postdramatischen Theaters. Das Untersuchungsinteresse besteht darin, unter einer dezidiert literaturwissenschaftlichen Perspektive die spezifische Textualität sowie das ästhetische Potential dieser Nebentexte herauszuarbeiten. Im Zuge von close readings soll zugleich eine kritische Revision des Begriffs ‚Nebentext‘ bzw. der tradierten Hierarchie des dramatischen Haupt- und Nebentextes vorgenommen werden. Im Zentrum der Arbeit stehen dabei Texte von Sarah Kane, Samuel Beckett und Peter Handke.
Die Arbeit geht von dem Befund aus, dass der dramatische Nebentext – dies dokumentieren auch aktuelle literaturwissenschaftliche Studien – bislang überwiegend in seiner instrumentell-direktiven Funktion für die theatrale Inszenierung reflektiert und analysiert wurde. An den ausgewählten Dramentexten lässt sich wiederum zeigen, dass diese traditionelle Bestimmung zu kurz greift. Der Nebentext erfährt hier zum einen eine Defunktionialisierung, sofern er weder in bühnenpraktischen Handlungsanweisungen noch in rezeptionsorientierten narrativen Vermittlungsleistungen gegenüber Rezeptionsvorgängen aufgeht. Zum anderen lassen diese Dramen eine besondere Refunktionalisierung des Nebentextes erkennen, über die sich ein selbstreflexives ästhetisches, meta-theatrales Verfahren ausbildet, das eine vielgestaltige Kritik an instrumentellem Sprachgebrauch mit einer Kritik an klassischen Subjektkonzeptionen verbindet.
Mit dieser Refunktionalisierung formulieren die ausgewählten Texte ein Gegenprogramm zu der insbesondere der Postdramatik diagnostizierten Relativierung von Sprache (oder von Gesprochenem) zugunsten anderer Theatermittel. Dieses Gegenprogramm besteht wiederum nicht in einer einfachen Restitution von Bühnenrede, sondern in einer Restitution von Sprache als Text. Daraus ergibt sich ein bemerkenswerter Rezeptionsshift vom Hören zum Lesen, der letztlich auch einen literaturwissenschaftlichen Zugang zu diesen Texten einfordert.
Besonders prägnant findet sich das sprach-, subjektkritische und gattungsreflexive Potential dort, wo in den Nebentexten der Autor*innen die Rede von ‚Stille‘ (‚silence‘) oder ‚Pause‘ ist. Das Dissertationsprojekt versteht die Stille oder Pause nicht als die Negation von Sprache, sondern als eine strukturbildende Reflexionsfigur, die über den implizierten Ausfall von Sprache auf der Bühne auf den Text des Nebentextes und dessen Wörtlichkeit zurückweist bzw. die Aufmerksamkeit auf die spezifische ästhetische Textualität des Nebentextes lenkt.