Seit den 1960er Jahren haben sich die Kunst und ihre Theorie immer stärker von einem gegenstandsorientierten hin zu einem performativen und praxeologischen (Selbst-) Verständnis bewegt. Mit der Vorlesung möchten wir daran anknüpfen und Kunst nicht als singuläres Werk in den Blick nehmen; wir möchten dieses Verständnis aber auch fortschreiben und Kunst nicht als einmaliges Ereignis, sondern als ein praktisches Feld erschließen, in dem es um die kollektive Einübung neuer Weisen des Sehens, Hörens, Sich-Bewegens und Sich-Begegnens geht. Kunst als Übung zu verstehen, heißt sie anhand von wiederholten und kontinuierlichen Begegnungen zu betrachten, in denen Spannungen und Differenzen zu bestehenden gesellschaftlichen Praktiken entstehen. Ein besonderer Fokus wird die Vorlesung auf das Potential der Künste richten, normativ eingeübte Wahrnehmungsmodalitäten, affektive Strukturen und Denkgewohnheiten zu ’verlernen’, die in Klassenfragen, Prozessen der Dekolonialisierung und für den Abbau von stereotypen Geschlechterdifferenzen eine zentrale Rolle spielen. Mit dieser praktischen Einbettung werden wir den autonomen Status der Kunst diskutieren und ihn ausgehend von kontextbezogenen und auch entgrenzenden Praktiken befragen; zum anderen eröffnet die Perspektive von Kunst als Übung auch ein neuer Zugang zum Verhältnis von Kunst und Pädagogik. Die Vorlesung möchte aber auch die künstlerischen Prozesse selbst anders fassen. Es sollen Epistemologien und Politiken des Künstler*innenwissens thematisiert sowie die Produktion von Kunst als Prozess neu in den Blick genommen werden: die Probe, die Skizze, das nicht nur Offene, sondern noch Unfertige, im Entstehen begriffene sollen eine besondere Aufschlusskraft mit Bezug auf das bekommen, was Kunst als eigentümliche Praxis ausmacht. Um diese verschiedenen Felder zwischen Theorie und Praxis zu untersuchen, ist die Vorlesung interdisziplinär ausgerichtet. Nach vorbereitenden Sitzungen im Seminarplenum sind eine Reihe von Wissenschaftler*innen und Künstler*innen aus verschiedenen Kunstfeldern eingeladen, mit uns ihre jeweiligen Perspektiven zu teilen und zu diskutieren.
Die Veranstaltung findet immer montags von 18.00 bis 20.00 Uhr im Hörsaal des Instituts für Theaterwissenschaften (Grunewaldtstr. 35) statt.
Nächste Veranstaltung: 15.07.2024
Prof. Dr. Judith Siegmund (ZHdK): Übende Künste stellen sich nicht ins Abseits - eine Poietik des Gebrauchs in den Künsten
Zeit & Ort
15.04.2024 - 15.07.2024
Freie Universität Berlin
Institut für Theaterwissenschaft
Grunewaldstraße 35