Springe direkt zu Inhalt

Forschungsreise in die Mönchsrepublik

Internationalisierungsmaßnahme mit der Autonomen Mönchsgemeinschaft Berg Athos (Griechenland)

 

Im Februar 2016 erfolgte ein Gespräch zwischen dem juristischen Berater der Autonomen Mönchsgemeinschaft Berg Athos (Αὐτόνομη Μοναστικὴ Πολιτεῖα Ἅγιον Ὄρος) und dem Lehrstuhlinhaber der Berliner Byzantinistik. Im Auftrag der Leitung des Klosters Pantokrator (Ἰ. Μ. τοῦ Παντοκράτορος) wurde das Interesse bekundet, das Archiv des Klosters für eine wissenschaftliche Auswertung im Rahmen eines gemeinsamen Forschungsprojektes mit der Professur für Byzantinistik an der Freien Universität Berlin bereitzustellen.

Um die Relevanz des Archivs und mögliche Perspektiven einer wissenschaftlichen Zusammenarbeit besser einschätzen zu können, wurde eine Forschungsreise der Lehrstuhlmitarbeiter zum Berg Athos und ein mehrtägiger Aufenthalt im Kloster Pantokrator vom 01.–11. Juni 2016 geplant, durchgeführt und vom Center for International Cooperation der Freien Universität Berlin finanziert.

Der Berg Athos – oder einfach Heiliger Berg (Ἅγιον Ὄρος), wie er auf Griechisch gemeinhin genannt wird – stellt ein Zentrum des Orthodoxen Mönchtums und der Orthodoxie im Allgemeinen dar, welches auf eine 1000-jährige Geschichte zurückschaut. Es ist aus mehreren Gründen einzigartig auf der Welt, existierte doch der Heilige Berg unaufhörlich seit byzantinischer Zeit und hat mit diversen Herrschern Erfahrungen gemacht, nur um heute weiterhin seine Autonomie unter griechischer Souveränität zu erhalten. Insgesamt besteht er aus zwanzig Großklöstern auf der Athos-Halbinsel, zu denen auch das Pantokrator-Kloster als siebtes in der Ehrenrangfolge gehört.

Das Kloster Pantokrator liegt auf der nordöstlichen Seite der Athos-Halbinsel, zwischen dem Großkloster Vatopedi und der jüngeren monastischen Siedlung Stavronikita, und wurde erst ca. 1350, also in spätbyzantinischer Zeit, gegründet. Trotzdem enthalten das Archiv und die Bibliothek des Klosters auch sehr viel älteres Material, wie z. B. griechische Handschriften aus dem 9.–10. Jahrhundert, sowie auf das 11. Jahrhundert zurückgehende Urkunden. Konkret finden sich im Archiv folgende Dokumente in griechischer, kirchenslawischer und osmanischer Sprache: Dekrete der byzantinischen Kaiser, Kauf- und Verkaufsurkunden, Schenkungen sowie Erlasse der Sultane (osm. fermanlar) und anderes mehr.

Das Archiv des Klosters ist der wissenschaftlichen Welt nicht unbekannt: Die ältesten griechischen Dokumente des Pantokrator-Archivs, datiert auf zwischen 1039 und 1501, liegen bereits in einer kritischen griechisch-französischen Edition vor (hrsg. von Vasiliki Kravari, Paris 1991). Allerdings sind diese Dokumente auf ihre Relevanz für die Rechts- und Wirtschaftsgeschichte des spätbyzantinischen Reiches hin nur ungenügend untersucht worden. Außerdem fehlen für die Mehrheit der Dokumente aus post-byzantinischer und osmanischer Periode moderne Kataloge, Editionen, Übersetzungen sowie eine historische Analyse ihres Inhalts. Diese Dokumente sind teils auf Griechisch, überwiegend jedoch auf Osmanisch verfasst. Über ihren Inhalt befinden sich in einem älteren, handschriftlichen Verzeichnis des Klosters spärliche Informationen, die durchaus einen Ausgangspunkt für eine gründliche historische Bewertung dieses Materials darstellen. Außerdem ist zu bemerken, dass für eine Anzahl osmanischer Dokumente ältere Übersetzungen ins Neugriechische handschriftlich vorliegen, die wegen ihrer forschungs- und kulturhistorischen Bedeutung ebenfalls berücksichtigt werden müssen.

Beide Seiten, die Autonome Mönchsrepubulik als auch die Berliner Byzantinistik, haben ausdrücklich ihr Interesse an der Bearbeitung und Zusammenarbeit bekundet. Als erster Schritt zur Kooperation wurde vereinbart, dass der juristischen Berater des Heiligen Berges an der Professur für Byzantinistik promoviert, um so die Interdisziplinarität auszubauen und eine langfristige und nachhaltige Kooperation vorzubereiten, indem die verschiedenen wissenschaftlichen Standards aneinander angepasst werden. Parallel dazu werden spezifische Forschungsinhalte und mögliche Förderformate für ein Gemeinschaftsprojekt eruiert.

     


   

Ansprechpartner: Manolis Ulbricht