Vortragsankündigungen
Gregory Dikaios: „Pharmakon: Gift oder Heilmitel? Philosophierende Ärzte und heilende Philosophen in der Antike“
Im Jahr 399 v. Chr. wird Sokrates zum Tod durch den Schierlingsbecher verurteilt. In Platons Dialog Phaidon, der die letzten Minuten des Sokrates eindrücklich schildert, wird der Trunk, der Sokrates für die Hinrichtung überreicht wird, als „Pharmakon“, d. h. Gift bezeichnet. Zugleich verwendet Platon dasselbe Wort „Pharmakon“ in anderen Dialogen, wie z. B. im Gorgias, um eine Arznei zu bezeichnen, die den Kranken heilt. Ein Pharmakon kann also sowohl töten als auch heilen.
Welche Rolle spielt dann die Philosophie in der Medizin? Abgesehen von der offensichtlichen Antwort, nämlich der Kultivierung ethischer Prinzipien – dass ein Arzt niemals ein tödliches Gift („Pharmakon“) verschreiben darf, wie wir im Eid des Hippokrates sehen werden – gibt es noch tiefere Verbindungen. Bei Galen, der sich klar auf Hippokrates bezieht, wird deutlich, dass Ärzte die logische Methode („logikē methodos“) als Teil der Philosophie anwenden müssen, um die Zusammensetzung des Körpers zu verstehen, Krankheiten zu unterscheiden und deren Zusammenhänge mit den Körperteilen zu erkennen.
Sogar in Aristoteles' Werk De respiratione wird betont, dass Ärzte die Grundlagen ihrer Wissenschaft in der Naturphilosophie suchen sollten, während Philosophen sich mit Fragen beschäftigen, die das Funktionieren von Lebewesen betreffen, wie Gesundheit und Krankheit. Bemerkenswert ist auch, dass der Epikureische Philosoph Philodem die wichtigsten Thesen der Epikureischen Philosophie als „Tetrapharmakos“ („vierfaches Heilmittel“) bezeichnet. Dies verdeutlicht weiter die enge Verknüpfung zwischen Philosophie und Medizin.
Lassen Sie uns also diese tiefe Verbindung zwischen Philosophie und Medizin in der Antike erkunden, beginnend mit den platonischen Dialogen und endend bei den großen Ärzten jener Zeit, wie Hippokrates und Galen, der verkündete, dass der beste Arzt auch ein Philosoph sein muss: Quod optimus medicus sit quoque philosophus.
Ort: Hörsaal 2
Zeit: 18 Uhr
Michelle Marú: „Ist Lachen eine Krankheit? Über das Verhältnis von Humor, Neid und Medizin bei Platon“
Lachen ist definitiv ansteckend! Aber ist es (immer) gesund? Im Dialog Philebos beleuchtet Platon die Bedingungen, unter denen Menschen Phänomene lächerlich (geloion) finden, wobei er darauf hinweist, dass Lachen ähnlich wie eine juckende Krankheit wirke, die sich nicht wegkratzen lasse und die schwerwiegende Konsequenzen für unsere seelisch-moralische Gesundheit habe (Phil. 48b–50d). Wir werden mit Platon als Gesprächspartner die (Erkenntnis-)Vorgänge unter die Lupe nehmen, die beim Lachen stattfinden. Was tun wir eigentlich, wenn wir lachen? Setzt das Lachen bestimmte negative Charaktereigenschaften wie Neid, Egoismus und Siegessucht voraus? Gibt es ein gesundes und gerechtes Lachen? Komm und sag Platon, worüber du lachst und er wird dir sagen, wer du bist.
Ort: Hörsaal 2
Zeit: 18 Uhr
Maximilian Knade: „Lust und Achtsamkeit. Über die Heilung der Gefühle bei Aristoteles“
Die Lust spielt für Aristoteles eine zentrale Rolle bei der Frage nach dem glücklichen Leben. Dabei unterscheidet er zwischen verschiedenen Arten des angestrebten Lustgenusses und damit auch zwischen verschiedenen Lebensweisen, die mehr oder weniger glücksbringend sein können. Demnach lohnt es sich, darauf zu achten, woran man welche Art von Lust empfindet. Damit scheint Aristoteles eine Art der Achtsamkeit für den Weg zum Glück zu empfehlen.
Das ist vor dem Hintergrund zurzeit populärer Konzepte der Achtsamkeit interessant. Diese nehmen ihren Ursprung in der buddhistischen Meditationskunst, haben jedoch längst Einzug in die westliche Kultur gefunden. Dort werden sie häufig als Instrument emotionaler Regulation gelobt. Doch es gibt auch Kritik: Achtsamkeit entpolitisiere das Individuum und werde zunehmend ihrer ethischen Dimension beraubt.
In dem heutigen Vortrag wollen wir gemeinsam erkunden, inwiefern es ‘heilsam’ sein kann, sich auf Aristoteles’ Überlegungen zur Gefühlskultivierung einzulassen, und wie Aristoteles mit den aktuellen Diskussionen rund um Achtsamkeit in einen Dialog treten kann. Inwiefern können wir bei ihm Züge eines alternativen Achtsamkeitsverständnisses ausmachen, das die Probleme aktuell populärer Achtsamkeitsempfehlungen umschifft?
Ort: Hörsaal 2
Zeit: 18 Uhr
Juliane Küppers: „Der Honig und die bittere Medizin. Epikureische Philosophie und ihre poetische Schönheit bei Lukrez als Therapie für mentale Gesundheit in Krisenzeiten“
Zerfallserscheinungen des politischen Systems, Ohnmachtsgefühle gegenüber immer neuen Kriegen, rasanter Fortschritt in die Ungewissheit – so wie während der letzten Jahrzehnte der attischen Demokratie sowie der späten Römischen Republik befinden wir uns auch heute in gesellschaftlichen Umbrüchen. Verzweiflung bis hin zur Desorientierung und sogar Verschwörungsdenken sind Folgen starker psychischer Belastungen derartiger Schwellenzeiten.
Dabei haben wir es auch selbst in der Hand, uns sogar in Krisenzeiten mental von diesen Lasten zu befreien, sagt Epikur, nämlich indem wir erkennen, welche Werte und Bedürfnisse wirklich wichtig sind: ein genügsames aber freudvolles Leben, freundschaftliche Gemeinschaft und eine pragmatische Naturphilosophie ohne Angst vor den Göttern und einem vermeintlichen festgelegten Schicksal.
So wie die zwei anderen maßgeblichen hellenistischen Philosophien – die Stoa und der Skeptizismus – hat auch der Epikureismus vorrangig ein therapeutisches Ziel: die ataraxía, die Seelenruhe oder die Gelassenheit. Um diese zu erlangen, mutet Epikur den Menschen seiner Zeit aber zunächst eine bittere Medizin zu: alle Menschen seien ohne Einfluss der Götter selbstwirksam, also für sich selbst, füreinander in einer solidarischen Gemeinschaft und für ihre Umwelt verantwortlich. Niemand lenkt ihr Schicksal, sie haben es selbst in der Hand.
Diese Philosophie, diese bittere Medizin verinnerlichen zu helfen ist das Ziel des römischen epikureischen Dichters Lukrez. Mit seinem monumentalen Werk De rerum natura – der insbesondere ab der Renaissance wirkmächtigen poetischen Einkleidung der epikureischen Philosophie – streicht er „süßen, gelb fließenden Honig“, den „Honig der Musen“ um den Rand des Bechers mit dem „bitteren Wermut“.
In meinem Vortrag stelle ich Epikurs philosophische Therapie für die Seele vor, wie ihre poetische Ästhetik bei Lukrez eine zusätzliche Heilkraft entwickelt und wie die Schriften beider Philosophen uns auch heute noch zu mehr Resilienz und mentaler Gesundheit verhelfen können.
Ort: Hörsaal 2
Zeit: 18 Uhr
Christian Vogel: „Philosophie als Ärztin. Boethius und die Heilung der verirrten Seele“
Boethius zählt zu Beginn des sechsten Jahrhunderts zu den bedeutendsten politischen und intellektuellen Persönlichkeiten des spätantiken Roms. Er befindet sich gerade auf dem Höhepunkt seines Ansehens und seiner Macht, als er im Jahr 524 n. Chr. schlagartig zum Tode verurteilt wird. Dass Boethius ausgerechnet in dieser Zeit nach dem jähen Sturz und dem Verlust seiner Freiheit jenes Meisterwerk schreiben sollte, das zum einflussreichsten Lesebuch des Mittelalters und zu einem Klassiker der Geistesgeschichte werden sollte, zählt wohl zu den bemerkenswerten Ironien der Philosophiegeschichte. Im ‘Trost der Philosophie’ beschreibt Boethius zunächst voller Selbstmitleid seinen beklagenswerten Zustand, ehe er von einer strengen Ärztin aufgesucht wird, die ihn zurechtweist, diagnostiziert und auf den Weg der Heilung bringt. Diese Ärztin ist die personifizierte Philosophie. Welche Krankheit diagnostiziert sie? Welche Heilmittel kann sie dem am Boden zerstörten Verurteilten bieten? Und warum sucht der Katholik Boethius in Zeiten schlimmster Not und Verzweiflung Trost ausgerechnet in der Philosophie und nicht in der Religion?
Ort: Hörsaal 2
Zeit: 18 Uhr