Signaturen des Nomadischen in der Gegenwart. Das Werk von Christoph Ransmayr im medialen Zusammenhang
Achim Küpper – 2024
Welchen Ort hat Literatur in flüchtiger Zeit? Worin liegt die Aufgabe des gedruckten Buchstabens, heute wie einst Medium beständiger Fixierung und Hort dauerhafter Aufbewahrung, verglichen mit den digitalisierten Zeichenwelten einer elektronischen Schreibkultur? Gibt es auf dem gemeinsamen Grund des analogen und des digitalen Worts, von allen Unterschieden abgesehen, möglicherweise so etwas wie ein nomadisches Schreiben? Wie begegnen literarische Werke allgemeiner den universalen Bewegungen ihrer globalisierten Gegenwart? Bilden sie Stätten der Ruhe und der Kontemplation oder werden sie selbst zu Räumen der Unrast und des Aufruhrs? Auf solche und ähnliche Fragen antwortet dieses Buch anhand der ersten groß angelegten Untersuchung zum Nomadischen in der deutschsprachigen Gegenwartsliteratur. Es komplementiert die "Theorie des Nomadischen" (2024) durch eine Analyse zum Werk von Christoph Ransmayr, in dessen Schaffen das nomadische Argument eine konzentrierte Grundlage und Gestalt gewinnt. In der gezielt gegenstandsnahen Auseinandersetzung mit ihm werden theoretische Positionen erweitert und vertieft, in der Medialität des Materials interpretative Horizonte über das Literarische hinausgeführt. "Signaturen" sind epochale "Kennzeichen" ebenso wie mediale "Zeichenzusammenhänge", die auch multiple Bild- und Klangereignisse einschließen. Die Spannweite reicht von der intermedialen Konfiguration aus Text, Bild, Ton über den Roman bis zum episodischen Erzählen zwischen poetischem und publizistischem Arbeiten. An den geisterhaften Übergängen von Heim und Heimsuchung, Ökologie und Ökonomie, sprachlicher und kolonialer Gewalt werden geschichtliche Größen von der antiken Literatur bis zu Film und Serialität zum Leben erweckt. In der Konzentration auf kanonische Schlüsselwerke des Autors samt deren textuellen und medialen Variationen aus vier Jahrzehnten liefert das Buch zugleich die bislang umfassendste Studie zu Ransmayrs Œuvre überhaupt. Sie erscheint im Jahr seines 70. Geburtstags.