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Musik im epischen Theater: Komponisten um Bertolt Brecht

Ohne Übertreibung lässt sich sagen, dass kein Dichter oder Dramatiker einen größeren Einfluss auf die Musikgeschichte des 20. Jahrhunderts ausgeübt hat als Bertolt Brecht. War schon seine früheste Lyrik („Lieder zur Klampfe“, „Hauspostille“) wesentlich aus der Praxis des gesungenen Vortrags erwachsen und zum Teil von ihm selbst mit Melodien versehen worden, so avancierte das Musiktheater Ende der 1920er Jahre zum Ausgangspunkt der Erkundung einer ganz neuen Bu¨hnenform: des „epischen Theaters“. Zusammen mit dem Komponisten Kurt Weill entwickelte Brecht die Konzeption einer „gestischen“, also zeigenden, vorführenden, nicht auf Einfühlung spekulierenden Musik und erhob die „Trennung der Elemente“ zum ästhetischen Programm: Text, Musik, Bühnenbild usw. sollten sich nicht mehr gegenseitig unterstützen, sondern vielmehr einander kommentieren und „verfremden“ („V- Effekt“), um das Publikum zum kritischen Nachdenken anzuregen. Mit der „Dreigroschenoper“ gelang Brecht und Weill 1928 ein Sensationserfolg, 1930 hatte die Oper „Aufstieg und Fall der Stadt Mahagonny“ in Leipzig Premiere. Nach der Hinwendung zum Kommunismus widmete sich Brecht dem Genre des Lehrstücks, anfangs in Zusammenarbeit mit Paul Hindemith, später vor allem mit Hanns Eisler, der zu seinem wichtigsten musikalischen Partner wurde, und zwar sowohl auf dem Gebiet des Theaters („Die Maßnahme“, 1930; „Die Mutter“, 1932) wie auch im Bereich des Films („Kuhle Wampe oder Wem geho¨rt die Welt?“, 1931). Nach der Machtergreifung Hitlers setzten Brecht und Eisler ihre Kooperation im Exil fort, „o¨fter die La¨nder als die Schuhe wechselnd“ (so Brecht 1939 in seinem Gedicht „An die Nachgeborenen“). In ständigem Dialog, der auch – jenseits von Theater und Film – zahlreiche Vertonungen Brecht’scher Lyrik durch Eisler beinhaltete („Hollywooder Liederbuch“, 1942/43), folgten beide dem Ziel einer allgemein versta¨ndlichen, massenwirksamen und doch intellektuell herausfordernden Kunst. 1942 begann Brecht außerdem eine Zusammenarbeit mit Paul Dessau, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in (Ost-)Berlin fortgesetzt wurde und unter anderem 1951 zu der gemeinsamen Oper „Das Verhör des Lukullus“ (bzw. „Die Verurteilung des Lukullus“) führte. Die Vorlesung will der Musikanschauung Brechts und „seiner“ Komponisten (vor allem Weill, Hindemith, Eisler und Dessau) anhand konkreter Beispiele nachgehen und dabei zentrale Kategorien wie „episches Theater“, „V-Effekt“, „Gebrauchsmusik“, „angewandte Musik“, „politische Musik“, „gestische Musik“ und „Kampfmusik“ in ihren jeweiligen theoretischen Pra¨missen und praktischen Realisierungsformen beleuchten. Die Veranstaltung beginnt in der zweiten Vorlesungswoche (24.10.2024).

(HU53445)

TypVorlesung
Dozent/inArne Stollberg
InstitutionSeminar für Musikwissenschaft
Webadresse
SpracheDeutsch
SemesterWS 24/25
VeranstaltungsumfangSWS 2
RaumHU, am Kupfergraben 5, 501
Beginn24.10.2024
Ende13.02.2025
Zeit

16.00 - 18.00

Literaturliste

Albrecht Du¨mling, Laßt euch nicht verfu¨hren. Brecht und die Musik, Mu¨nchen 1985

Jan Knopf (Hrsg.), Brecht-Handbuch, 5 Bde., Stuttgart und Weimar 2001–2003

Joachim Lucchesi und Ronald K. Shull, Musik bei Brecht, Frankfurt am Main 1988

Joachim Lucchesi, „Brecht und die Musik“, in: Handbuch Literatur & Musik, hrsg. von Nicola Gess und Alexander Honold, Berlin und Boston 2017 (Handbu¨cher zur kulturwissenschaftlichen Philologie 2), S. 482–494

Brecht und die Musik. Beitra¨ge von den Brecht-Tagen 1981, Berlin 1984 (Material zum Theater 180 / Reihe Musiktheater 34)