Vorträge im Rahmen der Ringvorlesung "FUnktionen der Sprache - Sprache in Aktion"
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Dr. Yvonne Wübben: "Sprache und Kognition um 1900: Wie Psychologen, Dichter und Hirnforscher über Erkenntnisprozesse nachdenken."
Um 1900 richtete sich die Sprachforschung auf Sprachauffälligkeiten wie Aphasie oder Versprechen. Dabei scheint diese Blickrichtung einerseits der Differenzierung von Sprache und Kognition Vorschub geleistet zu haben. Andererseits baute der Ansatz wesentlich auf Ergebnissen der damals aktuellen Hirnforschung auf. Denn seit den Arbeiten des französischen Arztes und Anthropologen P. Broca und des Neuropsychiaters C. Wernicke war Sprachforschung mit dem so genannten Lokalisationsgedanken verknüpft. Er umfaßte die Identifikation von Zentren des Ausfalls sowie die bildliche Darstellung von Hirnstrukturen, wurde aber unter anderem von Sigmund Freud kritisiert. Dabei stellte sich die Frage, wie Sprachverlust überhaupt zu beobachten war, ob er sich erzählen und experimentell untersuchen ließ. Welche neurowissenschaftlichen, biologischen und hermeneutischen Erzählmuster bildeten sich beim Versuch aus, Sprachstörungen mit hirnpathologischen Befunden zu korrelieren? Wie wurden diese Versuche literarisch aufgenommen - z.B. in H. v. Hofmannsthals berühmtem 'Chandos-Brief'? Und weist die um 1900 verbreitete Erforschung neuronaler Korrelate von Sprache und Kognition schließlich Bezüge zur aktuellen Hirndebatte auf?
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Prof. Dr. Gisela Klann-Delius "Sprache - Spiegel des Geistes?"
Sprache ist als Sprechen beobachtbar, wir können sie hören, Denken können wir nicht unmittelbar beobachten, wir können es an seinen praktischen Folgen, aber auch am Sprechen ersehen. Dem entspricht das Stereotyp, dass das Sprechen ein Spiegel des Geistes eines Individuums, aber auch ganzer sozialer Gruppen ist. Sprachen unterscheiden sich in ihrem Wortschatz und in ihrer Grammatik. Insofern ergibt sich die Frage, wieweit dies ein Ausdruck unterschiedlicher Denkprozesse ist. Die Sprache, so die prominente These des sprachlichen Relativitätsprinzips, lenkt unser Denken in bestimmte Bahnen. Die Entstehungsgeschichte dieser These und entsprechende, vor allem neuere empirische Befunde sollen in der Vorlesung dargestellt und erörtert werden mit Blick auf alternative Modellierungen des Verhältnisses von Sprache und Denken, die entweder keine Wechselbeziehungen zwischen Sprache und Denken postulieren (Modularitätshypothese) oder annehmen, dass Sprache von allgemeinen kognitiven Prinzipien bestimmt ist (Holismus, Konstruktivismus).
Zeit & Ort
17.04.2007 | 18:00 - 20:00
Hörsaal 1b, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin