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Abstracts des IZ Colloquium im Sommersemester 2011

Abstracts der Vorträge im IZ Colloquium SoSe 2011

 


 

Construction Morphology. (26.04.2011)

Geert Booij (Universiteit Leiden)

Construction morphology is a theory of morphology in the framework of
Construction Grammar. In my lecture, I will present a survey of basic
arguments for interpreting morphological patterns as constructions. One
important argument for this approach is that morphological and phrasal
constructions may exhibit similar properties. I will discuss the
implications of these commonalities for the architecture of the grammar of
natural languages.

Lit.: Geert Booij, Construction Morphology. Oxford: Oxford University
Press, 2010.

 


Getan – gesagt? Pragmatische und lexikalisierte Erklärungen zur Besetzung von Argumentstellen mit neuem Material. (10.05. 2011)

Amir Zeldes (Humboldt Universität Berlin)

Manche Konstruktionen in der Sprache sind häufiger als andere, realisieren vielfältigeres lexikalisches Material in ihren offenen Argumentstellen oder sind ergiebiger in der Besetzung dieser Stellen mit neuen Lexemen. Diese Unterschiede sind oft pragmatisch bedingt: das Verb essen wird mit einer größeren Bandbreite von Objekten gebraucht als trinken, da wir im Alltagsleben i.d.R. tatsächlich mehr unterschiedliche Gerichte verzehren, als Getränke. In diesem Vortrag will ich der Frage nachgehen, ob solche Ungleichheiten immer auf diese Weise erklärt werden können. Sagen wir einfach nur, was wir tun? Oder ist der Produktivitätsgrad einer Konstruktion z.T. im mentalen Lexikon spezifiziert?
Anhand von Verfahren aus der morphologischen Produktivitätsforschung werde ich korpusbasiert das unterschiedliche Verhalten einiger konkurrierenden, scheinbar bedeutungsgleichen syntaktischen Konstruktionen zeigen, wie bspw. die Adposition wegen in prä- und postpositionaler Stellung mit Dativ und Genitiv, komparative Adjektive in je…desto-Sätzen, Objekte von synonymen Verben, sowie Übersetzungspaare aus unterschiedlichen Sprachen (bspw. die sehr beschränkte Auswahl an Objekten für Deutsch hegen([+Emotion]) neben einer deutlich größeren Vielfalt für Englisch harbor([+Emotion])). Anschließend wird ein gebrauchsbasierter Ansatz zur Erklärung dieser Phänomene durch ein hierarchisch aufgebautes mentales Lexikon vorgestellt, in dem Konstruktionen physische Strukturen mit ihren lexikalisierten Vertretern teilen, und miteinander durch drei Relationen verbunden sind: paradigmatische, syntagmatische und assoziative Beziehungen.

 


Kombinatorische Besonderheiten des afrikanischen Französisch. (12.07.2011)

Peter Blumenthal (Universität Köln)

Die Entwicklung des Französischen in Schwarzafrika, vor allem die der Schriftsprache, ist gekennzeichnet durch (a) in Teilbereichen zunehmende Divergenzen zwischen den Gebrauchsnormen der einzelnen Länder, (b) fundamentale Konvergenzen in der Abgrenzung gegenüber dem Normfranzösischen Frankreichs. Allerdings zeigen sich in der Sprache der Massenmedien bisweilen auch Tendenzen zur Übernahme von im ehemaligen Mutterland entstandenen Sprachmoden und Jargons (z. B. „langue de bois“). Insgesamt gesehen wirkt die Entwicklung also vielschichtig und uneinheitlich. Dies soll an einem Gegenstandsbereich verdeutlicht werden, in dem syntaktische, semantische, lexikalische und pragmatische Faktoren untrennbar zusammenwirken, dem der (mehr oder weniger stereotypen) Wortkombinatorik. Durchgeführt werden die entsprechenden Untersuchungen in größeren elektronischen Korpora der Tagespresse der frankophonen Länder südlich der Sahara und einem quantitativ identischen Referenzkorpus „hexagonaler“ Zeitungen.

 


Faktizität, Wahrheit, Erwünschtheit: Negation, Negationsfokus und „Verum“-Fokus (24.05.2011)

Hardarik Blühdorn (IDS Mannheim)

Der Vortrag befasst sich mit zwei zusammenhängenden Erscheinungen in der Informationsstruktur deutscher Sätze: der Fokussierung von Negationsaus-drücken und der Fokussierung von Finita. Finitumfokus ist ein Ausdrucksmittel für das, was im Anschluss an Höhle (1988) als Verum-Fokus bezeichnet wird. Negationsfokus scheint dazu das semantische Gegenstück zu bilden, z.B. (1a/b):

(1) {A – Ist Otto jetzt eigentlich zu spät gekommen?}

(a) B – otto /IST\ zu spät gekommen

→ es ist der /FALL\ dass otto zu spät gekommen ist

(b) B – otto ist /NICHT\ zu spät gekommen

→ es ist /NICHT\ der fall dass otto zu spät gekommen ist

Es wird sich allerdings zeigen, dass Finitumfokus und Negationsfokus semantisch unterschiedlich funktionieren. Nicht in allen Fällen stehen sie in Gegensatz zueinander.

Der Vortrag beginnt mit der Semantik der Negation. Es wird gezeigt, dass Negationsausdrücke, unabhängig von ihrem informations¬strukturellen Status, auf drei unterschiedlichen Ebenen der Satzbedeutung interpretiert werden können: Negiert werden kann die Faktizität eines Sachverhalts, die Wahrheit einer Proposition oder die Erwünschtheit eines Sprechakts. Auf den gleichen Ebenen kann auch der Fokus interpretiert werden, der auf ein Finitum fällt: als Faktizitäts-, Wahrheits- oder Erwünschtheitsfokus. Daraus ergeben sich Konse¬quenzen für die Semantik negierter und nicht-negierter Sätze:

• Zwei Sätze wie (1a/b), die sich dadurch unterscheiden, dass der eine nicht-negiert ist und Finitumfokus aufweist, während der andere negiert ist und Negationsfokus aufweist, stehen nur dann in Gegensatz zueinander, wenn Negation und Finitumfokus auf den gleichen semantischen Ebenen ausge¬wertet werden. Andernfalls stehen sie nicht in Gegensatz zueinander, z.B. (2a/b):

(2) {A – Anna behauptet, dass Otto immer zu spät kommt.}

(a) B – otto /IST\ ein paarmal zu spät gekommen

→ es ist /WAHR\ dass otto ein paarmal zu spät gekommen ist

(b) B – otto ist ein paarmal /NICHT\ zu spät gekommen

→ ein paarmal war es nicht der /FALL\ dass otto zu spät gekommen ist

• Zwei negierte Sätze, die sich nur darin unterscheiden, dass der eine Finitum¬fokus und der andere Negationsfokus aufweist, stehen auf keinen Fall in Gegensatz zueinander. Wenn Negation und Finitumfokus auf der gleichen semantischen Ebene ausgewertet werden, sind die Sätze sogar bedeutungs¬gleich, z.B. (3a/b):

(3) {A – Ist Otto jetzt eigentlich zu spät gekommen oder nicht?

→ Ist es jetzt eigentlich der Fall, dass Otto zu spät gekommen ist, oder ist es nicht der Fall?}

(a) B – otto /IST\ nicht zu spät gekommen

→ es /IST\ nicht der fall dass otto zu spät gekommen ist

(b) B – otto ist /NICHT\ zu spät gekommen

→ es ist /NICHT\ der fall dass otto zu spät gekommen ist

 

Literatur

Blühdorn, Hardarik (2011). Negation im Deutschen. Syntax, Informationsstruktur, Semantik. Tübingen, Narr.

Höhle, Tilman (1988). „Vorwort und Nachwort zu VERUM-Fokus“. In: Sprache und Pragmatik. Arbeitsberichte 5. Lund, 1-7.