abstracts_2012
Abstracts der Vorträge im IZ Colloquium SoSe 2012
Präteritopräsentia – das gallische Dorf der Verbalflexion. Auch im Dialektvergleich? (10.07.2012)
Antje Dammel (Universität Mainz)
Präteritopräsentia (müssen, können etc.) verdanken ihre Entstehung der Umwertung idg. Perfekt- zu germ. Präsensformen. Daraus resultiert ein Flexionsverhalten, das als „morphologische Katastrophe“ bezeichnet und dem Abbau anheimgestellt wurde (Mayerthaler 1981:39). Neben dem einzig ‚harten’ klassenkonstitutiven Merkmal -Ø in 1./3.Sg.Prs. kommen Merkmale hinzu, die zwar in ihrer Kombination exklusiv für die Klasse gelten, einzeln aber weder extensiv (arbiträre Numerus-Vokalwechsel im Präsens, kann-können), noch exklusiv sind (Dentalsuffix-Vokalwechsel-Kombinationen, konnte, könnte). Trotzdem stabilisiert sich die Klasse diachron, indem ihre paradigmatische Kohäsion zunimmt: Die Sonderflexion wird an eine semantisch-syntaktische Spezifik gekoppelt, die viele der Mitglieder teilen bzw. ausbauen: die Grammatikalisierung zum Modalverb (vgl. z.B. Wurzel 2001). Dies zeigt sich am eindrücklichsten in Austritten (z.B. gönnen) und Neuzugängen (ahd. wellan, nhd. nicht brauchen), aber auch in formalen Gang-Effekten der Mitglieder.
Dieser Vortrag gilt der Frage, inwieweit die Beobachtungen aus der Diachronie auch für dialektale Variation zutreffen: Zeigen die Dialekte des Deutschen, die als morphologische Versuchsküche gelten können, eine dem Standard analoge Stabilisierungstendenz? Werden Klassenspezifika abgebaut oder entwickelt sich paradigmatische Kohäsion über das standardsprachliche Maß hinaus? Dazu wurde ein Korpus von Dialektgrammatiken ausgewertet. Anhand exemplarischer Daten werden die folgenden Parameter diskutiert: Aus-/Beitritte, abweichende Endungsflexivik und Synkretismuskonstellation, Ab-/Ausbau von Modulation, Defektivität/Überdifferenzierung, Paradigmenspaltung/-fusion sowie IPP-Effekte.
Der Einbezug dialektaler Variation kann im Vergleich zum Standard neue Mechanismen und extremere Lösungen paradigmatischer Kohäsion aufdecken und damit erweiterte Evidenz dafür liefern, dass Morphologie, Syntax und Semantik bei der Stabilisierung grammatischer Ausnahmen interagieren (Simon/Wiese 2011).
Mayerthaler, W. (1981): Morphologische Natürlichkeit. Wiesbaden: Athenaion (Linguistische Forschungen28).
Wurzel, W. U. (22001): Flexionsmorphologie und Natürlichkeit. Berlin: Akademie-Verlag (Studia Grammatica 21). [11984]
Simon, H.J./H. Wiese (2011): What are exceptions and what can be done about them? In: Simon, H.J./H. Wiese (eds.): Expecting the Unexpected.
Exceptions in Grammar. Berlin/New York: de Gruyter (TILSM 216), 3-30.
Sprachliche Fehlleistungen und sprachliche Kreativität (26.06.2012)
Heinz Vater (Universität Köln)
Versprecher sind "Zungenentgleisungen" ("slips of the tongue") wie z.B. Tränengras statt Tränengas. Sprachentgleisungen (bzw. sprachliche Fehlleistungen") umfassen außerdem Verschreiber, Verhörer, Verleser, das tip-of-the-tongue-Phänomen (TOT-Phänomen), Malapropismen und "Übelsetzungen". Meringer / Mayer haben schon 1895 Versprecher nach ihrer Struktur klassifiziert und die Regelhaftigkeit von Versprechern betont; Victoria Fromkin (1971) nannte das "the non-anomalous nature of anomalous utterances": Aus der Art und Weise, wie man sich verspricht, kann man darauf schließen, wie Sprachproduktion vor sich geht.
Menschen können aber auch den Wortschatz ihrer Sprache - und sogar die Grammatik - bewusst verändern, um damit verblüffende oder komische Wirkungen zu erzielen. Man nennt das gewöhnlich "Wortspiele" (engl. "puns"), doch sind Wortspiele wie brunch als künstlich geschaffene Kontamination aus breakfast und lunch oder Teuro als bewusste Verballhornung von Euro nur ein Teilaspekt von Sprachspielen allgemein, denn kann auch mit ganzen Sätzen spielen, wie in Das Design bestimmt das Bewusstsein, das sich unschwer als Verballhornung von Marx' Aussage Das Sein bestimmt das Bewusstsein erklären lässt. Ich habe bei Sprachentgleisungen und Sprachspielen festgestellt, dass beide die gleichen Strategien verwenden (Metathesen, Kontaminationen, Substitutionen etc.). Es gibt sogar Grenzfälle, wo man im Einzelfall oft nicht entscheiden kann, ob es sich um eine Entgleisung oder ein Sprachspiel handelt, so bei der Schreibung Tolleranz.
The Grammar of Path (14.06.2012)
Haj Ross (University of North Texas)
The opening mystery: Andrew Radford’s observation that there are sequences of prepositions (e.g.,from above the clock), and his proposed analysis (allowing prepositions to have prepositional phrasesas objects) runs afoul of many ungrammatical P-sequences (e.g., *above from the clock).
Enigma Number One: what sequences or P’s are good?
The First Great Whittling Down: the only sequences that come in question are drawn from the set of those which express spatial or temporal notions. Those which do not, like about, with(out), like, except, despite, anent, per, etc., not only do not combine among themselves (**about except Tiny,etc.), they also do not combine with spatial or temporal prepositions (cf. *with under Tom, *under withTom), of which (1) gives a partial list:
(1) Some spatial and temporal prepositions
above, across, after, along, among, around, before, behind, below, beneath, beside, between, by,during, from, in, near, on, over, past, since, through, to, toward(s), under, underneath, until upon, . . .
These last do admit of many sequences (e.g., in under the bridge, to around in behind the carburetor,etc.), which is not to say that all sequences of two or more of these are going to be cool: cf. *on in the box. However, a lot of whittling has been done by excluding sequences of non-locative and nonspatial P’s. Paths: the way spatial and temporal PP’s combine
(2) P-----------------------A--------------------------T-------------------------H
Verb (Source) (Trajectory) (Direction) (Extent) (Speed) (Totality) (Goal) (Mode)
I traveled from LA along Rt.1 northwards 450 miles at 60 all the way to SF on foot.
P-----------------------A--------------------------T-------------------------H
Verb (Source)... (Trajectory) . (Extent) (Totality) (Direction?) (Goal)
I worked from 9:00... through the morning 5 hours all the way --- up to 2:00