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Jugendmedienschutztagung 2010 Hamburg

Einschätzung von Nils Bahlo zum Forum "Worte die Wehtun" auf der Jugendmedienschutztagung 2010.

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Nils Bahlo

Tabubruch, Medienexhibitionismus und Jugendkultur - Herausforderungen für den Jugendmedienschutz

Nils Bahlo, Freie Universität Berlin

 

Die Respektlosigkeit der Jugend, deren Wertvorstellungen, deren Auslegung und Veränderung, die Normübertretungen, der schier ewig anhaltende Spaßcharakter, das unbekümmerte "leben in den Tag hinein" und der abrutschende Sprachgebrauch, der durch Vulgarismen und Brutalismen durchzogen ist, sind bereits seit Sokrates[1] beobachtete und kritisierte Charakterzüge an der jungen Generation. Der anhaltende Zuwachs an Gewalt und Gewaltbereitschaft gegenüber Mitschülern und Lehrern (auch und besonders sichtbar am Sprachgebrauch) hat dazu geführt, dass sich nicht nur die Erziehungswissenschaften der Frage stellen, ob die Jugendlichen generell soziales Verhalten verlernt hätten, bzw. ob sie ein faires Miteinander neu erlernen müssen (Bruhns und Wittmann 2002). Diese Sorge resultiert einzig und allein aus der Erwachsenengeneration, die in den Heranwachsenden die Menschen sehen, die einmal die Verantwortung als Bürger und Eltern für die nächste Generation übernehmen sollen (Zinnecker 1993). Für die Erwachsenen sind die Jugendlichen die Zukunft, die sie durch den Lebenswandel derselben als bedroht sehen, da ihnen die Übernahme der Verantwortung nicht zugetraut wird. Erwachsene bewerten Situationen aufgrund ihrer eigenen Biographie, die letztendlich zu dem Punkt geführt hat, an dem auch eines Tages die Jugendlichen ankommen sollen. Die Erwachsenen sehen natürlich eher ihre eigene Gegenwart und ihr aktuelles Verhalten, die Reflexion ihrer eigenen Jugend ist durch die biologische Entwicklung in größere Entfernung gerückt und nicht so einfach zu rekapitulieren.

Die linguistische Forschung hat seit den späten 80er Jahren gezeigt, dass Jugendsprache kreativ ist. Jugendliche spielen mit der Sprache  (wobei dies keine positive aber auch keine negative Wertung darstellen soll) und betreiben durch Eigen- und Frempositionierungen ein Stückchen Identitätsbildung. Für Forscherinnen wie Eckert steht fest: Jugendliche sind die „[…]movers and shakers [...] of language" (Eckert 1997:52), sie rütteln die Sprache auf und verändern sie. Sprachwandel hat es immer gegeben. Dieser resultiert nicht zuletzt aus dem Angebot der Medien und der Konsumgesellschaft. Erwachsene selbst suchen die Gründe für die "taggende", computerspielende und fordernde, handysüchtige Jugend oft in der Reizüberflutung, der sie selbst vollkommen hilflos gegenüberstehen. So droht das Erziehungsziel, welches sich Eltern setzen, gescheitert zu sein, bevor die Zielgerade nur in Sichtweise ist. Die Anforderungen unserer Gesellschaft, die einen normalen Lebensstandard oberhalb der Armutsgrenze sichern, steigen. Das Abfragen von Leistung, der davon ausgehende Druck und der "Einzelspielerstatus", sind alltägliche Anforderungen, mit denen sich ein Jugendlicher konfrontiert sieht und dem er mit Härte begegnen muss (Hofer 2003). Das, was als „hart und aggressiv“ – oder auch „dominant“ – gilt, lädt die Jugendlichen zur Nachahmung ein. Wer möchte schon gerne der Verlierer sein? Dieser Nachahmungscharakter zeigt sich besonders auf der Sprachebene, der aber differenziert gesehen werden muss. Für Erwachsene verletzende Worte müssen innerhalb der Peergroup nicht unbedingt so gewertet werden. Der biologische Trieb, der naturgemäß mit der Pubertät beginnt, wird durch das Internet angeheizt. Früh werden Jugendliche mit Pornografie und deren Lexik konfrontiert, ohne genau zu wissen, worum es dabei geht. Das Sprechen über – in gewisserweise tabuisierte Themen – treibt die Jugend zu sprachlichen Höchstleistungen an, die nicht selten in Rekontextualisierungen und semantischen Verblassungen zum Vorschein kommen.

 

Literatur auf Anfrage.



[1] Es existieren auch ältere Quellen. Zum Beispiel Keilschrifttexte aus Ur um circa 2000 v. Chr.

 

 

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