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Profil

Was ist Literatur? Wie verhält sie sich zu anderen Künsten und Medien? Wie können wir sie analysieren, interpretieren und theoretisch begreifen? Auf welche Weise überschreitet sie sprachliche und kulturelle Grenzen? Über welches Wissen verfügt sie und wie steht das Wissen der Literatur im Dialog mit anderen Wissensformen? Wie verändern sich Literatur und unser Verständnis von ihr im Verlauf der Geschichte? Was erzählt diese Geschichte über die sich wandelnden Funktionen der Literatur? Worin besteht ihre Aktualität?

Mit diesen und weiteren Fragen beschäftigen wir uns am Berliner Institut für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft, das seit 2005 nach Peter Szondi (1929–1971) benannt ist. Der Philologe, Essayist und Übersetzer hat die Ausrichtung des Instituts nach seiner Berufung als Professor an die Freie Universität 1965 maßgeblich geprägt. Szondi zielte auf eine Neuausrichtung der Literaturwissenschaft in Deutschland. Er öffnete die Einzelphilologien für sprachen-, nationen- und kulturenübergreifende Perspektiven sowie neuere Literaturtheorien und vernetzte die deutsche Literaturwissenschaft international.

In diesem Sinne versteht sich das Institut auch heute als Ort einer transnationalen Literaturwissenschaft mit Fokus auf Literaturtheorie, Poetik und Rhetorik. Über die Grenzen der Nationalphilologien hinaus forschen und lehren seine Mitglieder zu Literaturen in Sprachen europäischer Herkunft (einschließlich mehrerer slavischer Sprachen) seit der Antike. Weitere Schwerpunkte unserer Arbeit liegen in den Bereichen Übersetzung, Mehrsprachigkeit, Poetik des Wissens und Gegenwartsliteratur.

 

Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft

Das Fach „Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft“ – kurz „AVL“ genannt – verbindet eine komparative Öffnung mit theoriegeleiteter Lektüre.

Die vergleichende Perspektive („V“ in „AVL“) besteht darin, Literatur und ihre Geschichte sprachen- und kulturenübergreifend zu verstehen. Dadurch unterscheidet sich unser Fach von Einzel- oder Nationalphilologien wie Germanistik, Frankoromanistik, Hispanistik, Anglistik oder Slavistik. In vergleichender Perspektive untersuchen wir die Entwicklung literarischer Epochen und Gattungen ebenso wie die Geschichte literarischer Motive, Stoffe und Themen, das Verhältnis von Wissens- und Literaturgeschichte, aber auch Aspekte literarischer Übersetzung sowie den intermedialen Bezug von Literatur zu anderen Künsten. Im globalen Zeitalter haben die kritische Reflexion nationaler und internationaler Kanonbildung („Weltliteratur“) sowie die postkoloniale Kritik eurozentristischer Weltzugänge und Literaturbegriffe an Bedeutung gewonnen.

Zugleich zielt das Fach als „Allgemeine Literaturwissenschaft“ („A“ in „AVL“) auf eine grundlegende Reflexion von Literatur in zeichen-, text-, sprach- und gattungstheoretischer Hinsicht. Allgemeine Literaturwissenschaft heißt, bei jeder Textlektüre sensibel dafür zu bleiben, was dieser Text und unsere Lektüre für die theoretischen Grundbegriffe und Konzepte des Literarischen bedeuten. Das Spektrum der Perspektiven reicht hier von antiker Rhetorik und Poetik über ästhetische, hermeneutische, anthropologische, strukturalistische und poststrukturalistische Ansätze bis hin zu aktuellen Tendenzen der postcolonial und queer studies. Hinzu kommt die Beschäftigung mit Konzepten der literarischen Übersetzung sowie mit den Bedingungen der Produktion und Rezeption von Literatur und anderen künstlerischen Medien.

 

Schwerpunkte und Kooperationen in Lehre und Forschung

Das Peter Szondi-Institut gehört zu den international führenden Forschungs- und Lehreinrichtungen auf dem Gebiet der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft. Es steht in einem intensiven Austausch mit den Literatur-, Kunst und Kulturwissenschaften der anderen Berliner Universitäten und unterhält vielfältige Beziehungen zur weltweiten academic community. Mitarbeitende des Szondi-Instituts sind an großen universitären und transuniversitären Forschungsverbünden beteiligt, darunter der Exzellenzcluster Temporal Communities, die Friedrich Schlegel Graduiertenschule und der Sonderforschungsbereich Intervenierende Künste.

Zum Institut gehören fünf Professuren, die die Inhalte und Methoden der Allgemeinen und Vergleichenden Literaturwissenschaft mit unterschiedlichen – romanistischen, germanistischen, anglistischen/amerikanistischen und slavistischen – Schwerpunkten verbinden. Die Mitarbeiter*innen des Instituts forschen und lehren zu vielfältigen Themenfeldern wie Wissensgeschichte und Ästhetik, Medialität, Affekttheorie, literarische Übersetzung, deutsch-jüdische Literaturgeschichte, literarische Ethnographie, Gattungspoetik, Weltliteratur und Mehrsprachigkeit.

Alle am Institut Forschenden verstehen sich auch als engagierte Lehrende: Lehre und Forschung sind am Peter Szondi-Institut eng aufeinander bezogen. Zur Anregung und Vertiefung ihrer interdisziplinären Interessen stehen den Studierenden neben dem breiten und attraktiven Lehrangebot am Institut die Seminare anderer geistes- und kulturwissenschaftlicher Institute der Berliner Universitäten offen. Mehrere Erasmus-Kooperationen und Direktaustauschprogramme mit Universitäten auf der ganzen Welt bieten Möglichkeiten für Studienaufenthalte im Ausland. 

 

Gastprofessuren und Kontakte zur Berliner Literatur- und Kunstszene

Am Peter Szondi-Institut sind drei ständige Gastprofessuren angesiedelt. Im Rahmen der seit 1998 bestehenden Samuel Fischer-Gastprofessur haben Studierende in jedem Semester die Möglichkeit, mit Schriftsteller*innen aus unterschiedlichen kulturellen und nationalen Kontexten zu diskutieren. In den letzten Jahren waren u. a. Teresa Präauer (Österreich), Édouard Louis (Frankreich), Bernardo Carvalho (Brasilien) und Xiaolu Guo (China/Großbritannien) am Peter Szondi-Institut zu Gast. Die Preisträger*innen des Berliner Literaturpreises bieten im Rahmen der Gastprofessur für deutschsprachige Poetik am Peter Szondi-Institut in jedem Sommersemester eine literarische Werkstatt für Nachwuchsschriftsteller*innen an. Es handelt sich dabei um ein Forum für Textarbeit mit literaturinteressierten Studierenden aller Berliner Universitäten und Hochschulen, das seit seiner Gründung u. a. von Herta Müller, Durs Grünbein, Sibylle Lewitscharoff und Rainald Goetz geleitet wurde. Die 2007 eingerichtete August-Wilhelm-von-Schlegel-Gastprofessur für Poetik der Übersetzung, die vom Deutschen Übersetzerfonds getragen wird, ermöglicht in konzentrierten Seminaren die kritische Reflexion von Übersetzungsmethoden und -theorien. Die Professur wird jeweils zum Wintersemester an renommierte Übersetzer*innen verliehen, zuletzt u. a. an Frank Günther, Uljana Wolf, Esther Kinsky und Susan Bernofsky.

Das Szondi-Institut pflegt zudem enge Kontakte zur internationalen Literatur- und Kunstszene Berlins, darunter das Internationale Literaturfestival, das Literaturhaus Berlin (Li-Be), das Literarische Colloquium Berlin (LCB) und renommierte Verlagshäuser wie der Suhrkamp Verlag.