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Bibliotheken als literarisches Motiv - Die Bücher im Buch

„Jedes einzelne Buch hat eine Seele. Die Seele dessen, der es geschrieben hat,

und die Seele derer, die es gelesen und erlebt und von ihm geträumt haben.“

(Carlos Ruiz Zafón)

 

 

Bibliotheken gelten als Zentrum und Symbol europäischer Kultur und sind zugleich Orte mit geheimnisvoller Ausstrahlung: Kathedralen des Geistes und Speicher kollektiven Wissens, wobei selbst die funktionalste Architektur einer Bibliothek von einem Hauch sakraler Feierlichkeit durchweht wird. Bis heute existiert dabei der Gegensatz zwischen der geschäftigen, pulsierenden Welt und der stillen und friedfertigen Welt der Bücher. In der Literatur bietet die Gelehrsamkeit der dann fiktionalen Bibliothek vor allem den Weltfremden, den Außenseitern und den vernachlässigten Heimatlosen eine Zuflucht und gestattet ihnen zugleich, sich in dieser schweigsamen Welt der eigenen Phantasie und der Einsamkeit hinzugeben und sich so der Realität des da Draußen zu entziehen. So wird die Begegnung zwischen Literatur und der Bibliothek nicht allein auf den Ort beschränkt, die Bibliothek begegnet uns als literarisches Motiv in den verschiedensten Texten.

Die Aufgaben einer Bibliothek sind dabei ganz verschieden: Sie gelten nicht nur als Orte, an denen Bücher der verschiedensten Provenienz gesammelt, geordnet und aufbewahrt werden, sondern Zweck einer Bibliothek ist es dem Publikum das Lesen dieser Werke zu ermöglichen aber auch die Kenntnis von gewissen Schriften unter Verschluss zu halten, Bücher also zu verbergen.

 

In seinem Erzählband In der Bibliothek beschreibt der ungarische Literaturwissenschaftler Antal Szerb Charmeure, Müßiggänger und arme Intellektuelle, die alle auf der Suche nach der Liebe sind und die doch in Wirklichkeit nur eine große Liebe haben, die Liebe zur Bibliothek. In der Erzählung Die Bibliothek von Babel dagegen spekuliert der argentinische Schriftsteller Jorge Luis Borges über eine mögliche Welt, welche als eine Bibliothek aller möglichen Bücher dargestellt ist und stellt die Bibliothek dabei als präexistent und zugleich unendlich dar, die sich zugleich der Logik traditionellen Denkens widersetzt. Diese Erzählung inspirierte wiederum Umberto Eco zum Bauplan der Klosterbibliothek in seinem berühmten Roman Der Name der Rose, wobei der blinde Bibliothekar der Klosterbibliothek, Jorge von Burgos, eine Reminiszenz an Jorge Luis Borges ist, der nicht nur selbst als Bibliothekar arbeitete, sondern im Alter ebenfalls erblindete.

 

Das Seminar gibt anhand ausgewählter Texte einen Einblick in die Geschichte des literarischen Motivs der Bibliothek. Es soll diskutiert werden, welches Bild der fiktionalen Bibliothek als Imaginationsraum in den ganz unterschiedlichen Texten vermittelt und zugleich welche Bedeutung dem Ort der Bücher und dem Lesen dabei jeweils beigemessen wird.

Voraussetzung für die Teilnahme am Seminar ist die Bereitschaft, alle Texte in Vorbereitung der einzelnen Seminarsitzungen zu lesen und sich aktiv an den Diskussionen im Seminar zu beteiligen!

 

Vorgesehen sind im Seminar u.a. Texte von: Antal Szerb, Jorge Luis Borges, Ray Bradbury, Elias Canetti, Italo Calvino, Umberto Eco, Robert Musil, Stefan Zweig und Carlos Ruiz Zafón