Schicksal und Anarchie in Hans Henny Jahnns 'Fluß ohne Ufer'
Das Romanwerk Fluß ohne Ufer biete, so äußert sich Hans Henny Jahnn 1941, "keine schöne Geschichte. Es ist der Versuch, die Mechanik des Schicksals abzubilden. Das, was überall unterschlagen wird." Verwoben in die Entfaltung der Schicksals-Thematik, begegnen in Fluß ohne Ufer Reflexionen auf das "Glück der Anarchie, gegen alle zu stehen": So veranstalten Gustav Anias Horn, der Ich-Erzähler des zweiten Teils der Roman-Trilogie, und sein Geliebter Alfred Tutein das Experiment einer anarchischen "Ausschweifung" (einer Vivisektion, die Tutein am Körper Horns vornimmt), um das beiden bestimmte Dasein, "die unablässige Verschwörung gegen den Lebenssinn der anderen", fortführen zu können. Gerade der verbreiteten Annahme eines Lebenssinns widerstreitet die Schicksals-Idee des Fluß ohne Ufer; es gelte etwa, das Gesetz des Fleisches zu erfüllen: "Das Fleisch ist schmutzig, aber sehr gütig." – Im Seminar sollen Jahnns Konzeptionen von 'Schicksal' und 'Anarchie' erarbeitet und mit Blick auf ihre tatsächliche oder vermeintliche mythische Dimension kritisch befragt werden. Zu diskutieren ist die Funktion der Konzeptionen im Gesamtplan des Romanwerks, ihr ideenhistorischer und poetologiegeschichtlicher Ort.
Vorbereitende Lektüre: Fluß ohne Ufer: Erster Teil: Das Holzschiff und Zweiter Teil: Die Niederschrift des Gustav Anias Horn nachdem er neunundvierzig Jahre alt geworden war. In der Hamburger Ausgabe der Werke in Einzelbänden, ed. Ulrich Bitz und Uwe Schweikert, sind dies die Bände Fluß ohne Ufer I und Fluß ohne Ufer II, beide Hamburg 1992.