Literarisches Verstehen im Umgang mit Metaphorik: Rekonstruktion von lernerseitigen Verstehensprozessen und lehrerseitigen Modellierungen (LiMet)
Institut für Deutsche und Niederländische Philologie - Literaturdidaktik
in Kooperation mit Prof. Dr. Dorothee Wieser (TU Dresden)
durch die DFG
Mit der Studie „Literarisches Verstehen im Umgang mit Metaphorik (LiMet)“ wurden erstmals sowohl lernerseitige Verstehensprozesse im Umgang mit literarischer Metaphorik als auch lehrerseitige Modellierungen von Verstehensanforderungen und -prozessen in den Jahrgangsstufen 6 und 9 rekonstruiert. Damit kam die Studie einem zentralen literaturdidaktischen Forschungsdesiderat nach, da bislang der Fokus vor allem auf den Dimensionen literarischer Kompetenz lag und in der deutschdidaktischen Lehrerforschung die Rekonstruktion literaturdidaktischer Überzeugungen noch am Anfang steht.
Im Rahmen der Studie wurde mit 69 Schüler/innen der Jahrgänge 6 und 9 unterschiedlicher Schulformen in Niedersachsen und Sachsen eine Lautes Denken-Studie zu drei durch Metaphorik geprägten lyrischen Texten durchgeführt. Eben diese Texte waren auch der Ausgangspunkt für problemzentrierte Interviews mit 16 Lehrer/innen (ebenfalls aus Sachsen und Niedersachsen). Diese Interviews fokussierten insbesondere Fragen der Textauswahl und der Unterrichtsplanung zu dem gewählten Text.
Die Lautes Denken-Protokolle wurden zunächst mit Blick auf Operationen des Metaphernverstehens kodiert. Auf der Basis der Kodierungen wurden vier Verstehensniveaus bestimmt und die Protokolle entsprechend eingeschätzt. Zudem wurde eine Auswahl der Protokolle (n=7) einer Sequenzanalyse unterzogen, um ästhetische Strategien und deren Zusammenhang mit Verstehensniveaus zu ermitteln. Aus der Verteilung der Niveaus geht hervor, dass sowohl bei den Sechst- als auch bei den Neuntklässlern die Gruppe, die ein differenziertes metaphorisches Verstehen auf globaler Ebene (Niveau C und D) erreicht, immer kleiner ist als die Gruppen, die kein oder nur lokales metaphorisches Verstehen (Niveau A und B) erreichen. Zugleich zeigen sich weniger Unterschiede zwischen den Klassenstufen als vielmehr zwischen den drei Gedichten, wodurch Ableitungen hinsichtlich der spezifischen Textschwierigkeiten möglich werden. Mit Hilfe der Sequenzanalyse konnten schließlich fall- und textübergreifend acht ästhetische Rezeptionsstrategien rekonstruiert werden, die sich auf den produktiven Umgang mit Irritationen, die Entfaltung von Deutungshypothesen und die Involviertheit in den Deutungsprozess beziehen.
Die Interviews mit den Lehrenden wurden mit der Dokumentarischen Methode ausgewertet, da hierdurch eine zur Fragestellung passende methodologische Fundierung gegeben war. Es wurden für die Einzelfälle und fallübergreifend vergleichend (A) schülerbezogene, (B) (unterrichts-)gegenstandsbezogene, (C) fachbezogene Lehrerüberzeugungen und (D) Überzeugungen zur professionsbezogenen Selbstwahrnehmung rekonstruiert. So konnten vier Konstellationen von Überzeugungsausprägungen beschrieben werden. Beispielsweise weisen Lehrpersonen mit einem potenzialorientierten Schülerbild eine starke Selbstwirksamkeitsüberzeugung hinsichtlich ihrer Handlungsmöglichkeiten bei der Entwicklung von kognitiven literaturbezogenen Fähigkeiten auf. Es wurde aber auch analysiert, inwiefern sich die Überzeugungen an institutionellen Normen und didaktischen Konventionen orientieren. In der fallübergreifenden Auswertung des Datenmaterials ließen sich hinsichtlich des Verhältnisses von Analyse und Interpretation und von Lenken und Entdecken im Literaturunterricht zudem zwei domänenspezifische Spannungsfelder des Lehrerhandelns näher beschreiben.
Die Ergebnisse der Studie bieten somit Ansatzpunkte sowohl für die gezielte Förderung von Kompetenzen im Umgang mit literarischer Metaphorik als auch für die Lehrerbildung.