Wissenschaftliches Schreiben unter dem Vorzeichen von Diversität und Digitalisierung
Traninger, Anita; Martiens, Angie; Elmasry, Amira – 2020
In diesem Ideenpapier wird für den Ausbau einer schreibdidaktisch durchdachten und strukturierten Lehre des wissenschaftlichen Schreibens in den Geisteswissenschaften argumentiert. Wissenschaftliches Schreiben bildet als Schlüsselkompetenz die Voraussetzung für eine erfolgreiche Partizipation im akademischen Betrieb. Da der Zugang zur akademischen Welt sowie die Teilhabe an dieser immer auch von Ausschlussmechanismen entlang verschiedener Subjektkategorien (wie sozioökonomische Schichtenzugehörigkeit oder Geschlecht) geprägt sind, versteht dieses Papier die Schulung wissenschaftlicher Schreibkompetenz auch als Diversity-politische Maßnahme. Während Schreibfähigkeiten an britischen und US-amerikanischen Hochschulen bereits seit Langem als lehr- und erlernbar verstanden werden, wird die Frage nach dem wissenschaftlichen Schreiben in Deutschland traditionell mit dem Vertrauen auf individuelle Begabung und einem unerschütterlichen Glauben an das Talent beantwortet. Die Verfasserinnen argumentieren, dass das strukturierte Lehren des wissenschaftlichen Schreibens aus neun Gründen nötig ist: Es liegt in der Zuständigkeit der Hochschulen (1); es ergibt sich aus einem Aufklärungsanspruch (2) sowie einem Diversity-politischen Anspruch (3); es ist eine Frage der Gerechtigkeit (4), Transparenz (5), Teilhabe (6) und Chancengleichheit (7); ebenso können eine Positionierung innerhalb der internationalen Hochschullandschaft (8) sowie eine Exzellenz-Strategie (9) nicht unabhängig davon gedacht werden. Zugleich wird hier ein auf den Fachbereich Philosophie und Geisteswissenschaften der Freien Universität Berlin zugeschnittenes Konzept zur strukturierten Schulung des Schreibens zur Diskussion gestellt, das drei Stoßrichtungen enthält: Rhetorik, Digital Literacy und Forschungsorientierung. Der Umstand, dass das wissenschaftliche Arbeiten mittlerweile vollständig von der Digitalisierung durchdrungen ist, was in vielen geisteswissenschaftlichen Diskursen bislang noch zu wenig Beachtung findet, verleiht dem Digital-Literacy-Aspekt ein entsprechendes Gewicht.