Prof. Dr. Dr. Horst M. Müller: Sprache und Gehirn: Funktionelle Neuroanatomie sprachlicher Strukturen
Prof. Dr. Dr. Horst M. Müller spricht im Rahmen des Colloquiums des IZ Europäische Sprachen
Nach umfangreichen und langwierigen Lernvorgängen ist das menschliche Gehirn unter bestimmten sozialen Einflüssen in der Lage, das angeborene Repertoire kommunikativer Verhaltensleistungen um das Phänomen der sprachlichen Kommunikation zu erweitern. Notwendig hierzu ist ein komplexes Zusammenspiel kognitiver Teilleistungen, das empfindlich auf innere und äußere Störungen reagiert. Die Sprachfähigkeit kann daher genetisch, psychosozial und neurogen auf jeder Stufe ihrer Ausbildung durch Störungen beeinträchtigt sein. Bis vor kurzem wurde Sprache als eine Leistung der sogenannten Sprachregionen der linken Hemisphäre gesehen. Neuere Ergebnisse zeigen in immer stärkerem Maße, dass die Sprachfähigkeit nicht nur auf sprachspezifischen, sondern auch auf allgemein kognitiven Teilleistungen beruht, die von verteilten Hirnregionen in beiden Hemisphären geleistet werden. Diese Einsichten der kognitiven Neurowissenschaft beruhen auf Ergebnissen der invasiven Elektrostimulation während neurochirurgischer Eingriffe bei wachen Patienten, sowie auf Experimenten mit sprachgesunden Personen anhand elektrophysiologischer (EEG) und bildgebender Verfahren (fMRT). In dem Vortrag werden Methoden und Ergebnisse zur kortikalen Repräsentation der Sprache exemplarisch vorgestellt, um die gegenwärtige Sichtweise auf die neurokognitiven Grundlagen der Sprache aufzuzeigen und die Einbindung von Sprache in allgemeine kognitive Prozesse deutlich zu machen. Beispiele für solche Prozesse sind die Objekterkennung, der Werkzeuggebrauch, die Bewegungsmotorik (embodied cognition), die Musikalität und die Fähigkeit zur Empathie. Weiterhin soll verdeutlicht werden, in welcher Weise sich die gegenwärtigen Annahmen zur Repräsentation von Sprache im Gehirn entwickelt haben – und in welche Richtungen sie sich zukünftig weiter entwickeln könnten.
Zeit & Ort
02.07.2013 | 16:15
Freie Universität Berlin, "Rostlaube" Raum JK 29/124, Habelschwerdter Allee 45, 14195 Berlin