Etgar Keret
Samuel Fischer-Gastprofessor im Wintersemester 2003/2004
In den zahlreichen Kurzgeschichten des 1967 in Tel Aviv geborenen und heute an der dortigen Filmakademie lehrenden Schriftstellers, sind die plötzlich aus dem tristen Alltag fortgerissenen Menschen häufig anzutreffen. Sie vereinen sich gemeinsam mit den von der Liebe Enttäuschten, den vom Selbstmord Gefährdeten oder den vom Militär Gedrillten zu einem spannungsreichen Abbild einer israelischen Gesellschaft, in der die jüngere Autorengeneration zwischen der Vermittlung traditioneller Werte und dem Einfluß westlicher Popkultur aufgewachsen ist. Etgar Keret gestattet in seinen realistischen Erzählungen einen Blick auf ein Leben in alltäglicher Angst, versucht aber gleichzeitig, ein zukünftig friedliches Zusammenleben mit den Palästinensern zu entwerfen.
Die realistischen Beschreibungen des Alltags werden in vielen der Kurzgeschichten, die in Israel in hohen Auflagen erscheinen und bisher in drei deutschsprachigen Sammlungen vorliegen, durch ein phantastisches Moment gebrochen. Dieses Moment verleiht den meist nicht mehr als drei bis sieben Seiten umfassenden Erzählungen eine unerwartete und witzige, bisweilen makabere und tragische Wendung. Oder es wird, wie in dem Roman Pizzeria Kamikaze, eine vordergründig phantastische Unterwelt imaginiert, in der sich die (un)toten Gestalten an der Art ihres verübten Selbstmordes erkennen, dabei jedoch ein ebenso langweiliges Dasein fristen wie in ihrem lebendigen Vorleben – nur daß
der Selbstmord als ein Ausweg nicht mehr möglich erscheint.
Die bisher etwa 40 Kurzfilme, die auf der Grundlage seiner Erzählungen gedreht und zum Teil mit Preisen ausgezeichnet wurden, sind Ausdruck für die filmische Qualität von Etgar Kerets Prosa.
Weitergehende Informationen auf den Webseiten des Peter-Szondi-Instituts für Allgemeine und Vergleichende Literaturwissenschaft: