Normannen und Staufer in Süditalien. Lagopesole: Forschungsperspektiven zur größten Burganlage der späten Stauferzeit. Vortrag von Prof. Dr. Kai Kappel (HU Berlin) und Prof. Fulvio Delle Donne (Università degli Studi della Basilicata)
Einführung: Prof. Luigi Reitani (Italienisches Kulturinstitut Berlin)
In italienischer und deutscher Sprache mit Simultanübersetzung
Die Burg von Lagopesole in der Basilikata war das letzte große Kastell, das Kaiser Friedrich II. bauen ließ. Um 1242 wurde mit dem Bau begonnen. Die Anlage von Lagopesole ist Teil eines Systems, das die Verteidigungsfunktion und Kontrolle des Territoriums mit Annehmlichkeiten eines Sommersitzes verband. Diese funktionale Kombination ist typisch für Süditalien im 13. Jahrhundert. Die landschaftlichen Reize und das angenehme Klima in Lagopesole machten diesen Ort für König Manfred besonders attraktiv. Der Sohn Kaiser Friedrichs II. hielt sich hier wiederholt während des Sommers auf, ebenso wie König Karl I. von Anjou und seine Frau Beatrix von der Provence. Beide begaben sich unmittelbar nach dem Sieg über Manfred in der Schlacht von Benevent (1266) nach Lagopesole und blieben krankheitsbedingt lange dort. Auch ein Blick auf die historischen Quellen bestätigt, dass der Bau gleichzeitig diesen beiden Funktionen diente: als castrum und als domus solaciorum.
Das Bauwerk weist einige sehr ungewöhnliche Elemente auf: zwei Innenhöfe, einen in Süditalien durchaus seltenen Bergfried, langgestreckte Hallen mit ausgefeilten gotischen Konsolen und eine große, mit einer Herrscherloge ausgezeichnete Kapelle. Zugleich gibt es eine Fülle offener Fragen: Wie erfolgte die Integration der vornormannischen und normannischen Vorgängerbauten, wo genau befand sich der repräsentative Teil der Anlage (Palas), und - wenn dieser Bau als frühe Sommerresidenz angesehen werden kann - welchen Komfort erforderte der spätstaufische bzw. anjouinische Hof für seine Aufenthalte im wald- und wasserreichen Gebiet am Monte Vulture?
Prof. Fulvio Delle Donne ist außerordentlicher Professor für Mittelalterliche und Humanistische lateinische Literatur an der Università degli Studi della Basilicata. Zu seinen Forschungsschwerpunkten zählen Rhetorik, mittelalterliche Geschichtsschreibung, literarische Legitimation von Macht in Mittelalter und Zeitalter des Humanismus. Seine Arbeiten bringen Geschichte, Philologie und Literatur des 6. bis 15. Jahrhunderts miteinander in Beziehung und schaffen einen Dialog zwischen den Disziplinen.
Prof. Dr. Kai Kappel ist seit März 2012 Professor für Kunstgeschichte an der Humboldt-Universität zu Berlin (Lehrstuhl für Geschichte der Architektur und des Städtebaus) und stellvertretender geschäftsführender Direktor des Instituts für Kunst- und Bildgeschichte. Seine Forschungsinteressen umspannen die Architekturgeschichte des Mittelalters und des 19.-21. Jahrhunderts, Transkulturalität im normannisch-staufischen Süditalien sowie Materialikonologie und Spoliation. Zudem forscht Kai Kappel zur Lebensreform- und Gartenstadtbewegung, zur Mittelalterrezeption, zum Traditionalismus im 20. Jahrhundert, zu den NS-Verbrechen in der europäischen Gedenkkultur sowie zur Wissenschaftsgeschichte und der Geschichte der Fotografie.
In Zusammenarbeit mit dem Italienischen Kulturinstitut Berlin und ENIT - Italienische Zentrale für Tourismus
Zeit & Ort
06.12.2018 | 19:00 s.t.
Italienisches Kulturinstitut Berlin, Hildebrandstr. 2, Berlin-Tiergarten