5. November 2021: Workshop "Kontaktzonen"
News vom 19.10.2021
Workshop Kontaktzonen: Theorie/Sport/Naturkulturen
5. November 2021 (online)
Der Dokumentarfilm Donna Haraway: Story Telling for Earthly Survival (2015) zeigt die Portraitierte nicht nur als erzählende Theoretikerin, sondern in einer Szene auch bei Agility-Parcoursläufen mit ihrer Hündin Cayenne Pepper. Aus filmanalytischer Perspektive erscheint Cayenne als menschennahes, sportliches Tier inszeniert, das mit ihrer menschlichen Gefährtin eine dynamische Interspezies-Beziehung eingeht. Ästhetisch fallen in der Szene etwa die filmische Integration des geringer aufgelösten Materials in den übrigen Film sowie der prägnante Einsatz von Zeitlupe und Musik auf. Haraway selbst wird hier einerseits als weiblicher Star figuriert, andererseits als Sportlerin – als Praktikerin ihrer eigenen Theorie: Schließlich ruft die Szene unweigerlich ihr Theorem der Kontaktzone in When Species Meet (2008) auf, das Haraway wesentlich aus der Materialität und Semiotik des Agility-Sports und in direktem Bezug auf Cayenne herleitet.
Menschen und Tiere, Natur und Sport, Konzepte und Filme, Forschung und Praxis, Wissenschaft und Politik treffen in materiell-semiotischen, ästhetisch-diskursiven, oft prekären und potenziell produktiven Kontaktzonen aufeinander. Den damit verbundenen, vielfältig miteinander verflochtenen wissenschaftstheoretischen, feministischen, antirassistischen und medienkulturwissenschaftlichen Implikationen möchten wir im Rahmen des Workshops nachgehen. Mit Haraways Begriff „Kontaktzone“ und dessen Wurzeln in postkolonialer Theorie wird es möglich, Differenzen nicht nur als Gegensätze, Widersprüche und Spezifika zu begreifen, sondern auch über nicht-unschuldige Ähnlichkeiten, ambivalente Verhältnisse und konstitutive Verschränkungen von Differenzen nachzudenken. Bezogen auf Filme lassen sich so etwa räumlich-körperliche, filmästhetische und filmanalytische Kontaktzonen untersuchen. Neben Relationen innerhalb von Filmen und unter Genres sollen im Workshop Gefüge zwischen Filmästhetik und Theorie, unter Fachdisziplinen sowie nicht zuletzt die politischen Aspekte unserer wissenschaftlichen Kontaktierungen selbst in den Blick genommen werden.
Wie tragfähig ist der Kontaktzonen-Ansatz in methodologischer, epistemologischer und ethischer Hinsicht? Was sind seine medialen und ästhetischen Implikationen? Inwiefern hat das Konzept sportliche und sportfilmische Anschlussstellen? Lassen sich die Zonen des Kontakts von Tier, Natur und Film damit neu fassen? In welche Verhältnisse können wir Sport- und Tierfilme insofern setzen? Was bedeutet das Denken in und mit Kontaktzonen für Transdisziplinarität in Theorie und Praxis?
Der Workshop findet statt im Rahmen des DFG-Forschungsprojekts Figurationen der Differenz in filmischen Bewegungsbildern und verschränkt die beiden Teilprojekte „Differenziale Vernetztheit im Sportfilm“ und „Anthropologische Differenz im Tierdokumentarfilm“.
Organisator*innen: Natalie Lettenewitsch, Sabine Nessel, Tullio Richter-Hansen, Paula Ziegler
Programm
10.00 Uhr
Sabine Nessel: Begrüßung
Tullio Richter-Hansen: Differenziale Relationalität im Sportfilm
Natalie Lettenewitsch: Tentakuläre Kontaktzonen im Tierdokumentarfilm
Paula Ziegler: Bewegungen durch die Kontaktzone. Eine begriffliche Perspektivierung nach Mary Louise Pratt und Sara Ahmed
11.15 Uhr
Danny Gronmaier (Berlin): When Species Meet on the Playing Field: Tierische Athleten und das Spielfeld als naturkultürliche Kontaktzone im Sportfilm [ausgefallen]
Elisa Linseisen (Wien): Protodokumentarische Kontaktzonen? Donna Haraway und NATIONAL GEOGRAPHIC
12.45 Uhr Mittagspause
14.00 Uhr
Janna Heine (Berlin): Interkulturelle Kontaktzonen im Horror-Weltkino
Katharina Hoppe (Frankfurt/Main): „Contact zones are where the action is“. Gemeinsames Werden im Offenen
15.30 Uhr gemeinsame Schlussdiskussion
16.30 Uhr Ende des Workshops