Mark Halawa
Mark Halawa
E-Mail: halawa [at] schriftbildlichkeit.de
Telefon: (030) 838-54 102
Forschungsvorhaben
"Das Konzept der Schriftbildlichkeit im Spiegel der jüngeren Bemühungen um eine postmetaphysische Rationalitätskritik"
Projektbeschreibung
In meinem Forschungsprojekt beschäftige ich mich mit der Frage: »In welchem Verhältnis steht das Konzept der Schriftbildlichkeit zu den jüngeren Bemühungen um eine postmetaphysische Rationalitätskritik?« Mit der Wendung »postmetaphysische Rationalitätskritik« beziehe ich mich auf die seit den 1980er Jahren in einer Reihe von geistes- und kulturwissenschaftlichen Disziplinen zunehmend Verbreitung findende Forderung, die Beschreibung des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses nicht mehr – wie lange Zeit üblich – einem intellektualistischen Primat der Interpretation unterzuordnen. Anstelle der Analyse von Sinnphänomenen soll hier die Untersuchung von Präsenzphänomenen von vorherrschendem Interesse sein. Nur auf diese Weise, heißt es, lasse sich die für das intellektualistische Sinnparadigma so typische »metaphysische« Ausklammerung aller materiellen und sinnlichen Phänomenbereiche vermeiden, durch die die Anerkennung der Faktizität eines »unabänderlich Nicht-Begriffliche[n] in unserem Leben« (Gumbrecht) systematisch verhindert werde.
In meinem Forschungsprojekt gehe ich einerseits davon aus, dass das Konzept der Schriftbildlichkeit die rationalitätskritischen Intentionen postmetaphysischer Präsenztheorien aufgreift und bestätigt. Indem bereits durch den Begriff der Schriftbildlichkeit eine »Hybridisierung von Sprache und Bild« (Krämer) vorausgesetzt wird und insofern Sichtbarkeit und Ikonizität von Schriftstücken in den Vordergrund rücken, wird die Möglichkeit einer »metaphysischen« Ausklammerung der besonderen Materialität und Wahrnehmbarkeit von Schrift unterbunden. Entsprechend wird Schrift nicht alleine als diskursives, sondern ebenfalls als aisthetisches Medium beschreibbar. Schrifttheorien, die Schrift lediglich als ein Werkzeug zur Übertragung und Speicherung von Bedeutung sowie als Supplement der gesprochenen Sprache begreifen, erscheinen aus der Perspektive des Schriftbildlichkeitskonzepts insofern unter anderem aus ästhetischen und phänomenologischen Gründen als unangemessen reduktionistisch. Das rationalitätskritische Ansinnen postmetaphysischer Präsenztheorien – eine Hinwendung zum sinnlichen Moment der Präsenz, die nicht durch die alleinige Konzentration auf das sinnhafte Moment der Repräsentation ausgeklammert wird – findet im Konzept der Schriftbildlichkeit folglich eine schrifttheoretische Fortsetzung.
Allerdings lassen sich Begriff und Theorie der Schriftbildlichkeit auf dieses rationalitätskritische Motiv nicht reduzieren. So möchte ich andererseits zeigen, dass sich das Konzept der Schriftbildlichkeit in einem Punkt von postmetaphysischen Präsenztheorien unterscheidet: Zwischen Repräsentation und Präsenz, Sinn und Sinnlichkeit bzw. Semiosis und Aisthesis wird hier – anders als in vielen zeitgenössischen Präsenztheorien – keine unüberbrückbare Dichotomie postuliert. Ganz im Gegenteil legt das Konzept der Schriftbildlichkeit nahe, dass das Potenzial von Schriftlichkeit nur innerhalb – nicht außerhalb – des Spannungsverhältnisses zwischen Aisthesis und Semiosis angemessen erfasst werden kann. Eine Privilegierung der einen Kategorie zu Ungunsten der anderen liegt dem Konzept der Schriftbildlichkeit fern. Vorgelegt wird hier ein Schriftverständnis, das der Schrift eine eigene Ästhetik und Aisthetik zuspricht, ohne zugleich die diskursiven Elemente von Schriftlichkeit aus dem Auge zu verlieren.
In meinem Forschungsprojekt möchte ich demonstrieren, dass das Konzept der Schriftbildlichkeit aus diesem Grund nicht nur für solche Disziplinen große Herausforderungen mit sich bringt, die sich ihren Untersuchungsgegenständen bislang vorwiegend unter hermeneutisch-diskursiven Gesichtspunkten zugewendet haben. Auch Disziplinen, die sich überwiegend unter hermeneutikfernen Gesichtspunkten mit Fragen der Wahrnehmung und Ästhetik befassen, werden durch das Konzept der Schriftbildlichkeit vor Herausforderungen gestellt, die mit der Idee eines grundsätzlich dialektischen Verhältnisses zwischen Aisthesis und Semiosis akut werden. So animiert das Konzept der Schriftbildlichkeit nicht nur dazu, Schriftlichkeit im Verhältnis zu Bildlichkeit zu reflektieren; auch lädt es dazu ein, Bildlichkeit im Verhältnis zu Schriftlichkeit zu denken.
Wie in meinem zu großen Teilen bildtheoretisch und diagrammatisch konzipierten Forschungsprojekt deutlich werden wird, tritt in letzterem Reflektionszusammenhang keineswegs zwangsläufig eine schwächere oder sogar degenerierte Form von Bildlichkeit zutage, wie angesichts der überwiegend sprachkritisch geführten bildwissenschaftlichen Debatte vermutet werden könnte. Ganz im Gegenteil: Im Konzept der Schriftbildlichkeit kommt die Dimension einer Bildlichkeit zum Vorschein, die nicht trotz, sondern durch ihre Verschwisterung mit Aspekten des Diskursiven von hohem bildtheoretischem Wert ist, jedoch aufgrund der weitverbreiteten Sprachskepsis innerhalb der aktuellen Bildwissenschaft kaum registriert wird. Indem ich mich in meinem Projekt vor allem den bildtheoretischen Implikationen des Schriftbildlichkeitskonzepts zuwende, möchte ich ferner verdeutlichen, dass das Konzept der Schriftbildlichkeit nicht nur eine Erweiterung des Schriftbegriffs einfordert, sondern zugleich eine Erweiterung des Bildbegriffs nahelegt. So wird ersichtlich, dass die durch das Konzept der Schriftbildlichkeit gestellten Herausforderungen über das Gebiet der Sprachwissenschaft hinausgehen.
Curriculum Vitae
01/2011 |
Promotion im Fach Philosophie an der Technischen Universität Chemnitz |
seit WS 2010/2011 |
Lehrbeauftragter im Institut für Optionale Studien (IOS) an der Universität Duisburg Essen |
seit 10/2010 |
Postdoc-Stipendiat im DFG-Graduiertenkolleg 1458 »Schriftbildlichkeit« an der Freien Universität Berlin |
seit 03/2009 |
Mitglied im DFG-Netzwerk »Bildphilosophie« |
01/2009–09/2010 |
Gründungsredakteur der Online-Rezensionszeitschrift »r:k:m–Rezensionen:Kommunikation:Medien« (www.rkm-journal.de) |
WS 2007/2008 & WS 2008/2009 |
Lehrbeauftragter im Fach Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg-Essen |
10/2007–09/2010 |
Promotionsstipendium der Studienstiftung des deutschen Volkes |
02/2007–08/2008 |
wissenschaftliche Hilfskraft im Fach Kommunikationswissenschaft an der Universität Duisburg Essen |
08/2004–12/2004 |
Studium der Philosophie und Psychologie an der Universität Skövde/Schweden |
10/2001–01/2007 |
Studium der Kommunikationswissenschaft, praktischen Sozialwissenschaft und Psychologie an der Universität Duisburg-Essen; Erlangung des akademischen Grades »Magister Artium« |
Publikationsliste (Auswahl)
in Vorbereitung/ |
„Karl Bühler’s and Ernst Cassirer’s Semiotic Conceptions of Man“, in: Janette Friedrich (Hrsg.): »Karl Bühler«, Sonderheft der Zeitschrift Verbum. mit Marcel Finke (Hrsg.): Materialität und Bildlichkeit. Visuelle Artefakte zwischen Aisthesis und Semiosis, Berlin: Kulturverlag Kadmos. mit Marcel Finke: »Körperlose Anwesenheit? Vom Topos der reinen Sichtbarkeit zur artifiziellen Weltflucht«, in: Marcel Finke, Mark A. Halawa (Hrsg.): Materialität und Bildlichkeit. Visuelle Artefakte zwischen Aisthesis und Semiosis, Berlin: Kulturverlag Kadmos. |
2010 |
»Image and Visual Studies, and the Concept of ›Pictorial Turn‹«, in: Piet Zwart Institute, Willem de Kooning Academy University Rotterdam (Hrsg.): post.pic. Imageboards, Tagging, Tool Images, Visual Studies – a Primer by Practitioners, Rottderdam: Willem de Kooning Academy University Rotterdam, S. 24-26. |
2009 |
»Vom Freiheitsverlust des Betrachters. Einige kritische Bemerkungen zum ›Willen zum Sehen‹«, in: Ingeborg Reichle, Steffen Siegel (Hrsg.): Maßlose Bilder. Visuelle Ästhetik der Transgression, München: Wilhelm Fink Verlag, S. 37-50. »Widerständigkeit als Quellpunkt der Semiose. Materialität, Präsenz und Ereignis in der Semiotik von Charles Sanders Peirce«, in: Kodikas/Code: Ars Semeiotica – An International Journal of Semiotics, Vol. 32 (2009), No. 1/2, S. 11-24.
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2008 |
Wie sind Bilder möglich? Argumente für eine semiotische Fundierung des Bildbegriffs, Köln: Herbert von Halem Verlag. »Betroffene Sichtbarkeiten. Abu Ghraib und die Gewalt des Blicks«, in: Mauerschau 2/2008, S. 7-24.
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2005 |
mit Achim Eschbach (Hrsg.): Karl Bühler. Themenheft/Special Issue. Kodikas/Code: Ars Semeiotica – An International Journal of Semiotics, Vol. 28 (2005), No. 1/2. |
Rezensionen
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Charles S. Peirce: The Logic of Interdisciplinarity. The Monist-Series. Herausgegeben von Elize Bisanz, Berlin: Akademie Verlag. In: „r:k:m–Rezensionen:Kommunikation:Medien“, http://www.rkm-journal.de/archives/1490. |
Übersetzungen
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W.J.T. Mitchell: Das Leben der Bilder. Eine Theorie der visuellen Kultur. Aus dem Englischen von Achim Eschbach, Anna-Victoria Eschbach und Mark Halawa. München: Verlag C.H. Beck. [Orig.: What Do Pictures Want? The Lives and Loves of Images. Chicago/London: The University of Chicago Press 2005.] |