Carol Ribi
Carol Jana Ribi
E-Mail: ribi [at] schriftbildlichkeit.de
Dissertationsvorhaben
"Warja Lavaters bewegte Schrift-Bilder oder das Potenzial kreativer Schrift"
Projektbeschreibung
In meinem Dissertationsprojekt soll es darum gehen, die kreativen Schriftbilder und Bildschriften der Schweizer Künstlerin Warja Lavater (1913-2007) in ihrer Vielschichtigkeit und Mehrdimensionalität zu untersuchen, ihrem eigenen Schriftbegriff nachzugehen sowie eine Theorie der »kreativen Schrift« zu formulieren. Als kreative Schrift werden hier Schriften bezeichnet, die in künstlerischen Arbeiten eine Erzähl- oder Verweisfunktion übernehmen, welche ohne Alphabet und Lautsprache auskommt. Die Hypothese lautet, dass Warja Lavaters Piktogramm-Schrift die Grenzen des konventionellen Schriftverständnisses sprengt, indem sie sich von der phonozentrischen Alphabetschrift abwendet und eine ausschliesslich auf visueller Ebene funktionierende Schrift entwirft.
In der Visualisierung von vielschichtigem Sinn und komplexer Narration zeigt Lavater, dass kreative Schrift eine Hybridbildung ist und neben dem Diskursiven, der Sprache, auch, wenn nicht vor allem, aus dem Ikonischen, dem Bild, besteht. Das Bild ist viel stärker und unmittelbarer an die Wahrnehmung, die Perzeption, gebunden als es unsere Alphabetschrift ist. Deshalb soll es auch darum gehen, nicht nur die Funktion, sondern auch die Perzeption, die Sichtbarkeit und Materialität der Schrift-Bilder zu untersuchen. Für die Theorie der »kreativen Schrift« heisst dies, dass die Inszenierung und die Performativität sowie Materialität des bildlichen Zeichens von zentraler Bedeutung sind. Damit liegt das Dissertationsprojekt an der Schnittstelle zwischen Literatur- und Kunstwissenschaften. Diese Schnittstellen-Lage erfordert ein interdisziplinäres Vorgehen sowohl auf der methodologischen als auch der theoretischen Ebene.
Neben der Aufarbeitung des Nachlasses und der kunsthistorischen Quellenforschung geht es um eine interpretatorische Annäherung an das Werk. Sie soll in zwei Stufen erfolgen: Erstens geht es darum, Lavaters kreativen Umgang mit Schrift-Bildern anhand gesicherter Quellen zu deuten. Andererseits geht es aber auch explizit darum, den historischen Blick in Auseinandersetzung mit den heutigen Theoriedebatten zur Schriftbildlichkeit zu schärfen. Es gilt, die Piktogramme nicht nur als Graphiken, sondern auch als kreative Schriftbilder zu untersuchen, die neben der visuellen Bedeutung einen eigenen Umgang mit Narration und Zeichensymbolik vermitteln. Die theoretischen Überlegungen folgen dabei Nelson Goodmans Notationskonzept, das Schriften als disjunkte und diskrete Zeichensysteme versteht und diese funktionell als Äquivalenzklassen erfasst und so den Schriftbegriff entscheidend ausweitet.
Wesentlich für die Theorie einer »kreativen Schrift« ist die Beobachtung, dass die abstrakten Zeichen der Piktogramme gerade erst über ihre visuelle Strukturiertheit als Schrift verständlich werden, indem sie die Grundvoraussetzungen von Schrift erfüllen: Sie sind referentiell und wahrnehmbar sowie unterscheidbar und anwendbar. Das heisst, die kreative Schrift lässt sich in den Kategorien der Referentialität, Präsenz und Operativität beschreiben. Zu untersuchen gilt, inwieweit Lavaters Schrift-Bilder diese Kategorien einhalten oder sprengen, wie sich die beiden Systeme des graphischen Bildes und der kreativen Schrift zu einander verhalten, wie die Dynamik und Beweglichkeit der Schrift-Bilder funktioniert, wie die Narration über das Zusammenspiel von Bild und Zeichen zu Stande kommt und ob letztlich ein Unterschied, sowohl auf der Ebene der Funktion als auch auf der der Perzeption, zwischen einer Schrift des Bildes gegenüber einem Bild der Schrift festzustellen ist.
Curriculum Vitae
Seit 10/2011 |
Assoziierte Doktorandin des Graduiertenkollegs „Schriftbildlichkeit“ an der Freien Universität Berlin |
03/2011 |
Abschluss des Studiums in Germanistik, Englischer Literaturwissenschaft und Ethnologie an der Universität Zürich, Magisterarbeit zu »Der Erste Weltkrieg und das Leiden in der Kultur: eine Studie des Wandels in den Texten von Sigmund Freud, Thomas Hardy und Wilfred Owen« |
2010-2011 |
Stipendien bei der Reiser-Siemssen/Selve-Gerdtzen-Stiftung und der Stadt Zürich |
2007-2008 |
Projektleiterin des Projektes »Z(w)eitwissen« im Rahmen des 175-Jahr-Jubiläums der Universität Zürich, mit Ausstellung und Publikation zu studentischen Bewegungen seit 1968 an der Universität Zürich |
2007-2008 |
Drehbuch und Regie zum Film »Wider den Stand der Dinge. Die Universität im Umbruch«, im Rahmen des Projektes »Z(w)eitwissen« |
2005 |
Tutorin bei Prof. Bronfen zu »Shakespearean Refigurations« |