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"Über Kritzeln"

 
Datum: 9.- 11. Juni 2011
Ort: Graduiertenkolleg "Schriftbildlichkeit"
Institut für Philosophie
Habelschwerdter Allee 30
14195 Berlin
Organisation: Eike Wittrock, Rea Köppel, Benjamin Meyer-Krahmer, Christian Driesen

Das Plakat zur Tagung mit dem Programm steht hier als PDF zum Download bereit.

 

Kritzeleien scheinen ein Phänomen des Peripheren. Anzusiedeln in den (sich überschneidenden) Randbezirken von Schrift und Bild, sind sie noch nicht oder nicht mehr lesbar, verwirren und faszinieren durch ihr affektiv-dynamisches Potential und sind mit vertrauten Rezeptionsmustern und Taxonomien kaum zu erfassen. So werden sie oft nur in Begriffen des Negativen beschrieben, ohne sich darin zu erschöpfen. Die Unlesbarkeit und Unterdetermination hingekritzelter Linien befördert im Gegenteil die Beschäftigung mit ihnen stets von neuem: Sie treten als Rätsel, Abfallprodukt und Nukleus des Kreativen zugleich auf. Hat man Kritzeleien erst einmal von der Peripherie weg ins Zentrum der Aufmerksamkeit gerückt, können sie zudem, gerade indem sie gewohnte Kategorien der Wahrnehmung verfehlen oder stören, deren Prämissen aufzeigen. Sie verweisen auf die Gestik und Materialität des Schreibens und Zeichnens, das jederzeit ins Kritzeln hinübergleiten kann. Ihr selbstreflexives Potential zeigt sich besonders an Punkten, an denen der gewohnte Umgang mit Federn, Stiften, Worten und Linien misslingt. In der Literatur-, der Kunstgeschichte und der Philosophie wurde das Kritzeln oft mit dem schöpferischen Prozess, dem Unbewussten, mit der fließenden Schrift der Natur und mit dem Animalischen (die Klaue, das Spinnennetz) in Verbindung gebracht und fand so auch immer wieder motivisch und metaphorisch Eingang in die Kunstwerke selbst.

Die Tagung „Über Kritzeln“ möchte sich innerhalb dieses Rahmens mit konkretem Kritzelmaterial ebenso wie mit entsprechenden Theorien beschäftigen, um von dieser Seite aus die vertrauten Kategorien von Schrift, Bild, Text und Zeichen in Frage zu stellen, zu diskutieren – sie gleichsam zu überkritzeln und womöglich gerade damit neu in den Blick zu nehmen.

Anlässlich des 5. Geburtstags des Literaturmuseums der Moderne veranstaltet das Graduiertenkolleg „Schriftbildlichkeit“ am 6. Juni 2011 einen Workshop „Über Kritzeln“ im Deutschen Literaturarchiv Marbach.

 

PROGRAMM

Montag 6. Juni 2011, Deutsches Literaturarchiv, Marbach

10:00

Begrüßung

10:15 – 11:00

Hans-Jörg Rheinberger (Berlin): Papierpraktiken im Labor

11:15 – 13:00

Omar Nasim (Zürich): Scribblings in Space

Rüdiger Campe (Yale/New Haven): Kritzeleien im Sudelbuch. Zu Lichtenbergs Schreibverfahren

14:30 – 16:00

Rea Köppel (Berlin): ÜberDruck. Vom Kritzeln in Bücher

Christian Driesen (Berlin): écriture rose | rose de personne. Simon Hantaïs Schriftbilder

16:00

Führung durch die aktualisierte Dauerausstellung

 

Donnerstag, 9. Juni, Freie Universität Berlin

18:00

Rüdiger Campe (Yale/New Haven): Kritzeleien im Sudelbuch. Zu Lichtenbergs Schreibverfahren.

 

anschließend Empfang

 

Freitag, 10. Juni, Freie Universität Berlin

10:00

Begrüßung und Einführung

10:30 – 12:00

Almuth Grésillon (Paris): Funktionen von Kritzeleien in literarischen Handschriften

Michael Grote (Bergen): Über die allmähliche Verfertigung der Laute beim Sprechen. Sprachblätter und Lautprozesse von Carlfriedrich Claus

12:15 – 13:00

Richard Shiff (Austin): Starred, Studded, Scribbled

14:30 – 16:00

Barbara Wittmann (Weimar): Squiggle Games. Kritzeln als Formfindungsmethode

Stefan Rieger (Bochum): Kritzeleien. Zur Gegenstandsfreiheit der Form

16:30 – 18:00

Alexander Schwan (Berlin): „Dancing is like scribbling, you know.“ Schriftbildlichkeit in Trisha Browns Choreographie Locus

Benjamin Meyer-Krahmer (Leipzig): On Scribbling in the Manuscripts of Charles Sanders Peirce

 

Samstag, 11. Juni, Freie Universität Berlin

10:30 – 12:00

Bettine Menke (Erfurt): Kritzel - (Lese-)Gänge

Friedrich Weltzien (Potsdam): Zig zag, liberté. Die Geburt des Comics als entfesselte Arabeske

12:30 – 14:00

Thomas Schestag (München): „Diese Hand...“: Walter Benjamin kritzelt

Stephan Kammer (Düsseldorf): „Handschriftbejahung“. Robert Walser kritzelt nicht