Teilprojekt B12
Die Szene des Virtuosen. Zu einer Grenz-Figur des Performativen
Prof. Dr. Gabriele Brandstetter
Laufzeit: 01/2005-12/2010
Das Projekt untersuchte den Schauplatz des Virtuosen in doppelter Hinsicht: Vor dem Hintergrund der Herausbildung des Künstlertypus‘ des Virtuosen und dessen spektakulärer Erscheinung sollte Virtuosität als verblüffende Steigerung einer Handlung durch exzessive Differenzierung (das Virtuose) und zugleich als Selbst-Inszenierung des Handelnden als Subjekt dieser gesteigerten Performanz (der Virtuose) betrachtet werden. Die kulturwissenschaftliche Erforschung solcher Figuren des Virtuosen sollte die Bedeutung virtuoser Steigerung bzw. Übersteigerung von Handlungen für eine Theorie des Performativen herausarbeiten. Es ging darum, die komplexe Dynamik dieser Steigerung in den neuzeitlichen Konzepten der Darstellung, der Handlungstechnik, des Erfolgs oder Gelingens (bzw. Scheiterns) sichtbar zu machen. Arbeitsthese war, dass Virtuosität eine Grenzfigur des Performativen darstellt; nämlich dem Paradox, dass sie durch Differenzierung und Überbietung die Produktion von Singularität zu betreiben scheint und doch nur durch emergente Prozesse des Nicht-Kalkulierbaren Evidenz gewinnt. Zum auratischen Ereignis wird Virtuosität in einem relationalen Prozess, ihre Wahrnehmbarkeit ist also nicht nur an Körper-Techniken der Disziplinierung, sondern ebenso an technische Medien, die ökonomische Dimension des Handelns sowie an Wahrnehmungs- und Lektüre-Techniken der Aufmerksamkeit gekoppelt.
Das Programm der Abschlusstagung des Teilprojekts, die vom 18.-20. Juni 2010 unter dem Titel "Prekäre Exzellenz. Ein Kongress zu Künsten, Ökonomien und Politiken des Virtuosen" im Roten Salon der Berliner Volksbühne am Rosa-Luxemburg-Platz stattgefunden hat, finden Sie hier.
Projektrelevante Publikationen der letzten Förderphase:
Gabriele Brandstetter, Bettina Brandl-Risi, Kai van Eikels (Hg.): Szenen des Virtuosen. Eine Grenz-Figur des Performativen, Bielefeld: transcript 2017.
Bettina Brandl-Risi (2010a): Applaus: Die Gesten des Virtuosen, in: C. Wulf/E. Fischer-Lichte (Hg), Gesten. Inszenierung, Aufführung und Praxis /Gestures. Staging, Performance and Practice, Paderborn: Fink 2010, S. 266-280.
Bettina Brandl-Risi (2010b): „Ich bin nicht bei mir, ich bin außer mir.“ Die Virtuosen und die Imperfekten bei René Pollesch, in: J. Roselt/C. Weiler (Hg), „Schauspielen heute!“ Die Bildung des Menschen in den performativen Künsten, Bielefeld: transcript 2011.
Gabriele Brandstetter (2010a): Aussetzung der Meisterschaft. Was geschieht, wenn der Virtuose aus der eigenen Peak-Performance aussteigt, in: Herbst. Theorie zur Praxis, Magazin des Kunstfestivals steirischer herbst, Graz, S. 24-27.
Gabriele Brandstetter (2010b): Improvisieren: eine Eröffnung und Selbst-Überraschung: Improvisation im Tanz, in: H.-F. Bormann/G. Brandstetter/A. Matzke (Hg), Improvisieren. Paradoxien des Unvorhersehbaren. Kunst – Medien – Praxis, Bielefeld: transcript, S. 7-19.
Gabriele Brandstetter (Hg.) (2010d): Improvisieren. Paradoxien des Unvorhersehbaren, hg. mit H.-F. Bormann/A. Matzke, Bielefeld: transcript (2010).
Kai van Eikels (2010a): Die Schule der Virtuosen. Zur emanzipatorischen Kraft des Übersetzens, in: C. Ivanovic/H. Yamamoto (Hg), Übersetzung Transformation. Umformungsprozesse in/von Texten, Medien, Kulturen, Würzburg: Königshausen & Neumann, S. 76-88.
Kai van Eikels (2010b): Collective Virtuosity, Co-Competition, Attention Economy Postfordismus und der Wert des Improvisierens, in: H.-F. Bormann/G. Brandstetter/A. Matzke (Hg), Improvisieren. Paradoxien des Unvorhersehbaren, Bielefeld: transcript, S. 125-160.