Prof. Dr. Dr. h.c. mult. Michael Theunissen († 18. April 2015)
Professor
Vita
Bildquelle: Karl-Heinz Eiferle, Berlin
(geb.: 11.10.1932 in Berlin, gest.: 18.04.2015 in Berlin)
Achtzehn Jahre prägte Michael Theunissen das akademische Leben am Institut für Philosophie der Freien Universität Berlin mit seiner engagierten Lehre und seiner außerordentlichen intellektuellen Strahlkraft weit über Deutschland hinaus.
Nach seiner Gymnasialzeit in Berlin und Hamburg studierte Michael Theunissen Philosophie und Germanistik in Bonn und Freiburg. Bereits mit 23 Jahren wurde er mit seiner Dissertation Der Begriff Ernst bei Sören Kierkegaard in Freiburg bei Max Müller promoviert. Darauf folgten einige Jahre als wissenschaftlicher Assistent bei Wilhelm Weischedel an der Freien Universität, die 1964 zu seiner Habilitation und schließlich 1967 zu seiner Berufung auf eine Professur in Bern führten. Im Jahr 1971 erfolgte seine Berufung an die Universität Heidelberg, an der zur selben Zeit Dieter Henrich und Hans-Georg Gadamer lehrten. Schließlich gehörte Theunissen zu jenen vier Philosophen, die 1980 zeitgleich zur Wiederbelebung an das Institut für Philosophie der Freien Universität kamen und dieses für die darauffolgenden zwei Jahrzehnte zu einem der renommiertesten Philosophieinstitute Deutschlands avancierte.
Seine philosophische Position entwickelte Theunissen zunächst in Auseinandersetzung mit Kierkegaard, dessen Furcht und Zittern ihn zur Philosophie geführt hat und Hauptgegenstand seiner Dissertation ist. Erfahrungen der Negativität wie Angst, Tod und insbesondere psychiatrische Krankheiten bilden von hier an ein Motiv seines Werks. Über eine Kritik der kritischen Theorie von Horkheimer und Adorno und Studien zur Theologie wendet sich Theunissen schließlich Hegel zu. Die Methodik der Dialektik als Abwendung von absoluten Standpunkten in Kombination mit einer reichhaltigen Hermeneutik ergeben das zweite Motiv seines Werkes. Insbesondere in seiner Lehre ging es ihm daher nicht um die Vermittlung einzelner Inhalte sondern vielmehr darum zu zeigen, „wie viel ein Gedanke implizieren kann, wie viel für und wie viel gegen ihn spricht“ (FAZ, 20.04.2015). Sein dialektischer Negativismus und die stetige hermeneutische Arbeit an den Wurzeln der europäischen Philosophie gipfelte schließlich im tausend Seiten starken Pindar: Menschenlos und Wende der Zeit, in dem er „Philosophie, Kunst und Theologie neu zueinander führt“ (Zeit, 20.07.2000).
Michael Theunissen erarbeitete sich in den langen Jahren seines philosophischen Schaffens ein internationales akademisches Renommée, dessen Größe sich zum einen an den Übersetzungen seiner Werke ins Englische, Französische, Spanische, Griechische und Japanische und zum anderen an seinen Ehrendoktorwürden in Kopenhagen, Luzern und Göttingen bemessen lässt. Seine Kollegen*innen und ehemaligen Studierenden bezeugten ihren Dank und ihre Verbundenheit mit Michael Theunissen mit der Herausgabe gleich zweier Festschriften zu Ehren seines 60. Geburtstages.
Literatur
- Der Begriff Ernst bei Sören Kierkegaard: Freiburg/München, 1958
- Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart: Berlin, 1965
- Gesellschaft und Geschichte. Zur Kritik der kritischen Theorie: Berlin, 1969
- Hegels Lehre vom absoluten Geist als theologisch-politischer Traktat: Berlin, 1970
- Die Verwirklichung der Vernunft. Zur Theorie-Praxis-Diskussion im Anschluss an Hegel: Tübingen, 1970
- Sein und Schein. Die kritische Funktion der Hegelschen Logik: Frankfurt am Main, 1978
- Selbstverwirklichung und Allgemeinheit. Zur Kritik des gegenwärtigen Bewusstseins: Berlin, 1982
- Negative Theologie der Zeit: Frankfurt am Main, 1991
- Das Selbst auf dem Grund der Verzweiflung: Frankfurt am Main, 1991
- Kierkegaards negativistische Methode, 1991
- Der Begriff Verzweiflung: Korrekturen an Kierkegaard: Frankfurt am Main, 1993
- Vorentwürfe von Moderne. Antike Melancholie und der Acedia des Mittelalters: Berlin, 1996
- Pindar. Menschenlos und Wende der Zeit: München, 2000
- Reichweite und Grenzen der Erinnerung: Tübingen, 2001
Festschriften
- Dialektischer Negativismus: Frankfurt am Main, 1992
- Erfahrungen der Negativität: Hildesheim, 1992