Slang, Slam, Spam: Sprachen, Orte und Medien zeitgenössischer Poesie in Osteuropa
Die symbolische Bedeutung des Dichters als kultureller Institution speiste sich in den osteuropäischen Literaturen der sowjetischen Ära aus der expliziten oder impliziten, der affirmativen oder subversiven Positionierung zum politischen System. Mit dem Systemwechsel der 1990er Jahre wird dieser totalen Fundierung der Dichtung im Politischen der Grund entzogen. Sie hat nun im Spielfeld des Medialen und Globalen gegen die unerbittlichen Konkurrenten der postmodernen Bild- und Spielkultur anzutreten, eine Entwicklung, die mal resignativ-nostalgisch, mal spielerisch-aggressiv reflektiert wird. In der Folge ändern sich Sprachen, Orte und Medien der poetischen Artikulation. An die Stelle der Privatwohnung als zentralem Ort der Dichterlesung treten die realen und virtuellen Klubs (Foren, Blogs). Ästhetische Beglaubigung erfolgt nicht durch den politischen Bann, sondern im ironischen Modus der Slam-Turniere. Auf einer symbolischen und semiotischen Ebene verlagert sich die Auseinandersetzung von der kritischen Dekonstruktion der totalitären Sprachmuster hin zu einer Reflexion über die Kreolisierung der Nationalsprachen zwischen Anglizismus und Slang. Neben der literaturwissenschaftlichen Analyse einzelner Werke und Autoren-Biographien wird die Wandlung der Institution des Dichters in den postsowjetischen Gesellschaften in den Blick genommen. Die Auswahl der Autorinnen und Autoren erfolgt in Anlehnung an die Sprachkenntnisse und Interessen der Teilnehmer. Zu denken wäre etwa an den russischen Performer Dmitrij Vodennikov, den im Baltikum lebenden Techno-Poeten Sergej Timofeev oder den bulgarischen Meditationslyriker Georgi Gospodinov.
Kenntnisse osteuropäischer Sprachen sind erwünscht.